Berliner Zeitung
6. März 2002

Langfassung

Deutsche Gewehre im Himalaja

Heckler & Koch will Gewehre nach Nepal exportieren

von Otfried Nassauer

Die Oberndorfer Waffenfirma Heckler & Koch hat nach Angaben der britischen Fachzeitschrift Jane’s Defence Weekly den Auftrag erhalten, dem Königreich Nepal in den kommenden Jahren bis zu 65 000 modernste Gewehre vom Typ G-36E zu liefern. 5 000 Exemplare des neuen Gewehrs mit dem Kaliber 5,56mm, das die Bundeswehr und Spanien zurzeit einführen, sollen bereits in Kürze geliefert werden. Nepal wäre der erste Staat außerhalb von Nato und EU, der die neue Waffe erhalten würde. Vorausgegangen, so nepalesische Quellen, sei die Erteilung eines Auftrages über fünf Millionen Dollar zur Einrichtung einer Wartungs- und Reparaturwerkstatt für das G-36 im vergangenen Jahr.

Auf Grund der Geheimhaltungspraxis bei Rüstungsexporten ist zurzeit unklar, ob die Bundesregierung den Gewehrexport bereits endgültig genehmigt hat. Sie wird ihn allerdings nur schwerlich ablehnen können, da schon der Export von Gewehren zur Erprobung genehmigungspflichtig war und Heckler & Koch als Hersteller argumentieren dürfte, dies binde die Bundesregierung auch für das Hauptgeschäft. Zudem genehmigte die Bundesregierung bereits 1999 und 2000 den Export von Herstellungsausrüstung für kleinkalibrige Munition sowie einer ballistischen Messanlage nach Nepal im Wert von rund 2,7 Millionen Mark.

Tod der Königsfamilie

Das Exportvorhaben steht in eklatantem Widerspruch zu den Rüstungsexportrichtlinien der rot-grünen Bundesregierung. In dem Himalaja-Staat weitet sich der Bürgerkrieg zwischen Regierungskräften und der maoistischen Guerilla UCP aus. Im Januar rief die Regierung den Notstand aus. Organisationen wie Amnesty International werfen beiden Konfliktparteien zunehmend gravierende Menschenrechtsverletzungen vor.

Die USA, die EU, Russland und Indien haben der Regierung Unterstützung zugesagt. US-Außenminister Powell sagte jüngst während eines Besuches in Nepal amerikanische Militärhilfe zu. Tödliche Waffen sind davon aber explizit ausgeschlossen. Die hofft die Regierung Nepals nun anderweitig zu beziehen. Doch neue, leistungsfähigere Waffen wie das G-36-Gewehr sind teuer. Wie der bitterarme Staat sie finanzieren soll, ist völlig unklar.

Seine Feuertaufe hat das G-36 in Nepal bereits hinter sich. Nach Informationen des indischen Politikmagazins "Frontline" war es ein Gewehr dieses Typs, mit dem am 1. Juni vergangenen Jahres - nach offiziellen Angaben - der nepalesische Kronprinz Dipendra seinen Vater den König, etliche Verwandte und schließlich sich selbst erschoss.

Otfried Nassauer ist freier Journalist und leitet das Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit (BITS).