Berliner Zeitung
20. August 2005


Der Iran hat Recht

von Otfried Nassauer

Hinweis:
Dieser Artikel ist von der Redaktion gekürzt worden. Die Lang-Version finden Sie hier:
Das Nein aus Teheran


Noch deutlicher werden Diplomaten wohl nur bei Kriegserklärungen. Europas Vorschlag im Streit um das Teheraner Atomprogramm sei "extrem lang, wenn es um die Forderungen an den Iran" gehe und "absurd kurz, soweit es die Angebote an den Iran" betreffe. Er sei nicht verhandelbar, "eine Verletzung der iranischen Nation, für die sich die EU entschuldigen muss." Soweit der Iran gegenüber der Internationalen Atomenergie Agentur. Wollten die Iraner den Eklat? Oder kann es sein, dass der Vorschlag tatsächlich unzureichend war?

Auf 34 Seiten haben London, Paris und Berlin aufgeschrieben, wie sie sich die Eckpunkte für ein "Langzeitabkommen" mit dem Iran vorstellen. Der Iran soll endgültig auf alles verzichten, was über den Betrieb von Atomreaktoren zur Stromerzeugung hinausgeht. Das bedeutet das Aus für die Uran-Konversion, die Uran-Anreicherung, die Herstellung von Brennelementen und den geplanten Schwerwasserreaktor in Arak. Der Iran soll vertraglich auf das Recht verzichten, den Atomwaffensperrvertrag zu kündigen. Kein Staat der Erde ist eine solche Verpflichtung zum einseitigen Souveränitätsverzicht bislang eingegangen.

Im Gegenzug wird dem Iran versprochen, dass er Brennelemente kaufen, abgebrannte zurückgeben und atomare Technik für seine Reaktoren und andere nicht-nukleare Vorhaben beziehen kann. Europa will die Wirtschaftskooperation und die Aufnahme des Irans in die Welthandelsorganisation fördern. Auch die Sicherheit des Irans will es mit garantieren. Großbritannien und Frankreich geben die politische Zusage, den Iran nicht mit Atomwaffen anzugreifen. Wie bitte? Hegt der Iran diese Befürchtung? Mit Sicherheit nicht. Er fürchtet vielleicht einen atomaren Angriff der USA oder Israels oder - wahrscheinlicher noch - einen konventionellen. Dazu sagt das Angebot der Europäer nichts. Sie wollen offensichtlich auch nichts über die eigenen konventionellen Militäroptionen sagen.

Die deutschen Diplomaten hätte ahnen müssen, dass dieses Angebot Israel und den USA gefällt, dem Iran aber nur missfallen konnte. Hätten sich die Berliner Diplomaten in das Archiv des Auswärtigen Amtes begeben, hätten sie dort festgestellt, mit welch harten Bandagen ihre Vorgänger verhandelten, als es in den 60er Jahren darum ging, das deutsche Atomprogramm und die atomare Sicherheitsgarantie der USA samt nuklearer Teilhabe der Bundeswehr gegen den Atomwaffensperrvertrag zu verteidigen. Wäre der jungen Bundesrepublik in den 60er Jahren unterbreitet worden, was die EU heute Teheran vorlegt - sie hätte es mit Sicherheit zurückgewiesen. Das Angebot an Teheran ist ganz offensichtlich unzureichend.

Eine regionale Mittelmacht verzichtet nicht einseitig auf Souveränität. Der Iran ist eine regionale Mittelmacht. Deutschland bestand damals auf dem Recht, die Atomtechnik in vollem Umfang zivil zu nutzen zu können - umfassender übrigens, als der Iran es heute will. Und manchmal bleibt Deutschland auch heute noch hart. Der Forschungsreaktor Garching II wird seit 2003 mit hochangereichertem, waffenfähigem Uran betrieben - trotz Atomausstieg, engagierter Nichtverbreitungspolitik und gegen die energisch vorgetragenen Bitten der USA.


 

ist freier Journalist und leitet das Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit - BITS