11.August 2000

Freitag

 

Alter Wein in neuen Schläuchen
USA - Außenpolitik spielt im Wahlkampf kaum eine Rolle - und wenn, dann als aufgewärmte Rhetorik

by Denise Groves

 

Ralf Nader, Präsidentschaftskandidat der Grünen Partei, hat keine Chance, die Wahl im November zu gewinnen. Das freilich hält ihn nicht davon ab, sowohl George W Bush als auch Al Gore zu attackieren und sie als »Rebublocrats« zu charakterisieren. Mit diesem Ausdruck will Nader suggerieren, dass es zwischen beiden Bewerbern um das Weiße Haus kaum Unterschiede gibt, ihre Parteien und Programme eigentlich keine echte Wahl darstellen.

Auf außenpolitischem Gebiet sind die Ähnlichkeiten in der Tat nicht zu übersehen. Beide Kandidaten stimmen darin überein, dass Europa, der Nahe Osten, Ostasien und Lateinamerika wichtige amerikanische Interessenzonen sind. Beide unterstreichen die Notwendigkeit fester Bündnisse mit Europa, Japan und Israel, verstehen Freihandel, offene Märkte und Rechtstaatlichkeit als essenzielle Voraussetzungen für eine stabile demokratische Weltordnung und begreifen die Proliferation von Massenvernichtungswaffen, Terror und sogenannte Schurkenstaaten wie Irak oder Nordkorea als nationale Sicherheitsbedrohung. Entsprechend laut ist daher das Bekenntnis zu einem starken Militär mit modernster Technik und gut ausgebildetem Personal.

Es scheint also, als ob Nader mit seinem »Rebublocratismus« Recht hätte. Bei näherem Hinsehen sieht das im Detail jedoch ein wenig anders aus.

An der republikanischen Wahlkampfstrategie wird seit nahezu acht Jahren gebastelt. Das Duo Bush-Cheney präsentiert sich vor allem als Anti-Clinton-Team, dessen Ziel es ist, dem Weißen Haus seine Würde zurück zu geben und den Schaden der Clinton-Ära zu beheben. Dies schließt die angeblich zum Desaster geronnene Außenpolitik des Noch-Präsidenten ausdrücklich ein. Die außenpolitische Kunst, »das Wichtige vom Trivialen zu trennen«, habe Clinton nie beherrscht, schrieb Bushs sicherheitspolitische Chefberaterin, Condoleezza Rice, in einem Aufsatz für die renommierte Zeitschrift Foreign Affairs Anfang des Jahres. Deshalb sei die Administration, so George W. Bush selbst, immer wieder von Krise zu Krise geschlittert. Clintons Ad-hoc-Politik, so der Texaner weiter, habe zu einer Überdehnung des Militärs geführt, dessen Kräfte verzettelt, die transatlantische Allianz und das Bündnis mit Japan geschwächt und überdies zu einer konfusen, flatterhaften Bestimmung nationaler amerikanischer Interessen beigetragen.

,Dass Bush junior kaum außenpolitische Expertise besitzt, ist kein Geheimnis. Dafür hat er hat sich jedoch mit Beratern umgehen, die, wie, Condoleezza Rice, Robert Zoellek (ein alter Veteran der Reagan/Bush-Ara) oder sein Vize Dick Cheney stark von der realpolitischen Philosophie eines Henry Kissingers beeinflusst sind. Kein Wunder also, wenn Bush in seiner außenpolitischen Programmatik eine sehr enge Definition »nationaler Interessen« zu Grunde legt. Die bestehen für ihn und seine Berater nicht in irgendwelchen friedenserhaltenden Missionen, sondern in starken Allianzen mit gerechter Lastenteilung, uni so genug militärische Kräfte für die Sicherung »vitaler« amerikanischer Interessen bereit zu halten. Zum Beispiel am Persischen Golf.

Bush weiß sehr genau: Wahlen werden mit außenpolitischen Themen nur verloren, nicht aber gewonnen. Deshalb verschwendet er keine Zeit darauf, genau zu erklären, wie er das amerikanische Nuklearpotenzial reduzieren oder Russland davon überzeugen will, dass sein ambitionierter Plan einer nationalen Raketenabwehr (NMD) Moskaus atomare Abschreckung nicht gefährdet. Viel besser kommen beim Durchschnittswähler Slogans an, die versprechen, die Moral der ach so arg gebeutelten Streitkräfte durch weniger friedenserhaltende Missionen, höhere Verteidigungsausgaben und bessere Ausrüstung mit modernster Technologie zu stärken. Bush verspricht nicht weniger als ein »Neues Denken« für eine neue Zeit. Wenn er sich dazu jedoch mit Kalten Kriegern wie Henry Kissinger, Ex-Sicherheitsberater Bent Scowcroft und dem letzten Außenminister seines Vaters, James Baker, umgibt, legt dies allerdings andere Schlüsse nahe.

Dass der republikanische Wahlkampf ganz nach dem Muster der erfolgreichen Kampagne Ronald Reagans gegen Jimmy Carter aufgezogen wird, nimmt nicht Wunder. Ob Überraschend ist dagegen, wie stark Al Gore in die außenpolltische Defensive gerät. Der Mann versteht wesentlich mehr von Außenpolitik als sein Herausforder - und er besitzt die größere internationale Erfahrung. Gleichwohl sah sich Gore dazu genötigt wenigstens eine moderate Form des umstrittenen NMD-Projektes zu unterstützen. Intellektuell mag er sogar dagegen sein, politisch kann Gore es sich jedoch nicht leisten, in militärischen Fragen als »weich« abgestempelt zu werden.

Um sich dennoch von Bush abzusetzen, propagiert der Vizepräsident eine »Neue Sicherheitsagenda«, die Friedenseinsätze auf dem Balkan ebenso einschließt wie Bedrohung durch Klimaveränderungen, gefährliche Infektionskrankheiten oder die chronische Armut in großen Teilen der Welt. All das erinnert an Clinton, hat jedoch einen Pferdefuß: Gore muss die außenpolitischen Erfolge der letzten acht Jahre für sich reklamieren können und sich gleichzeitig langsam, aber sicher von seinem Chef absetzen. Zu diesem Zweck versucht er, sich als »anderer Demokrat« zu verkaufen. Einer, der zum Beispiel weniger Skrupel hat, militärische Macht auch einzusetzen - wie seinerzeit beim Golfkrieg gegen Irak, dem der Abgeordnete Al Gore 1991 im Senat Stimme und Segen ebenso gab wie sein Vize Joseph Lieberman.

Die Unterschiede sind also durchaus sichtbar: Während Bush ein traditionelles, auf Amerika zentriertes Verständnis von nationalen Interessen pflegt, hat Gore einen globaleren Ansatz. So gesehen, ist Naders Rhetorik etwas zu grobschlächtig. Mit dein Vorwurf, dass beide Kandidaten ihrem Wahlvolk nur aufgewärmte außenpolitische Rhetorik vorsetzen, läge er jedoch goldrichtig.

Denise Groves ist Wissenschaftlerin am Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit.