Technische Unterstützung
(redigierte Fassung mit einem Nachtrag)
von Otfried Nassauer
.
I. Vorbemerkungen
1. Mein Arbeitsbereich ist die Friedensforschung und ich bin - im
Gegensatz zu den anderen Vortragenden des heutigen Tages - nicht
juristisch ausgebildet. Ich bitte um Nachsicht, wenn meine
Ausführungen deshalb nicht dem juristischem Fachvokabular
entsprechen.
2. Ich habe die Einladung zu dieser Anhörung gerne
angenommen, weil es zu dem Thema "Technische Unterstützung" nicht
nur einen exportrechtlichen, sondern auch einen politischen,
friedenswissenschaftlichen Zugang gibt, der aus meiner Sicht
eigenständig Aspekte zu diesem Thema beiträgt, die für
die Diskussion und Urteilsbildung wichtig sind.
3. Rüstungsexportrechtliche Fragen tangieren immer wieder
einmal Themen, die zu der Aufgabenstellung des Unterausschusses
für Abrüstung, Rüstungskontrolle und Nichtverbreitung
gehören. Sie sollten deshalb auch in diesem Ausschuss
regelmäßig diskutiert werden. Es sind Fragen, die
außenpolitische und (außen)wirtschaftliche Bedeutung haben.
Sie betreffen vor allem die Themen Nichtverbreitung und
Rüstungskontrolle. Ich freue mich deshalb, dass der Unterausschuss
sich dem Thema "Technische Unterstützung" widmet und dies nicht
ausschließlich dem Wirtschaftsausschuss überlässt.
II. Technische Unterstützung - wo liegt das Problem?
Technologietransfer und Technische Unterstützung werden
ausfuhrrechtlich unterschieden und auch unterschiedlich behandelt. Der
Technologieexport meint im Rüstungsbereich die materielle oder
elektronische Ausfuhr von Herstellungstechnik, Konstruktionsunterlagen
oder anderer Herstellungsunterlagen für Kriegswaffen, sonstige
Rüstungsgüter und doppelt verwendbare Güter in ein
anderes Land. "Technische Unterstützung" ist dagegen im Sinne
eines Synonyms für den Begriff Technische Hilfe zu verstehen und
meint die immaterielle Ausfuhr von Wissen zur Entwicklung,
Konstruktion, Herstellung, Wartung und Nutzung von Kriegswaffen,
sonstigen Rüstungsgütern und doppelt verwendbaren Gütern
sowie der dazu nötigen Herstellungsmittel. Es geht also vor allem
um den Export von Wissen, dass Personen in ihrem Kopf und nicht auf
Papier oder z.B. auf elektronischen Datenträgern mitnehmen und
übermitteln. Während der materielle Technologietransfer bei
uns genehmigungspflichtig ist, ist dies bei der technischen
Unterstützung nur im Blick auf ABC-Waffen und deren
Trägersysteme sowie im konventionellen Bereich für jene
Drittländer der Fall, die einem Waffenembargo der Vereinten
Nationen, der OSZE oder der EU unterliegen. Nur dann besteht eine die
geplante "Technische Unterstützung" bei Kenntnis einer
militärischen Endverwendung eine Meldepflicht, die der
zuständigen Behörde, dem BAFA, die Möglichkeit gibt, die
technische Unterstützung eines Drittlandes gegebenenfalls zu
untersagen. Die Einschränkung auf Embargo-Länder regelt der
§50 der Außenwirtschaftsverordnung.
Technische Unterstützung kann im Rüstungsbereich,
also im Bereich einer bekannt militärischen Endverwendung,
unterschiedlichen Zwecken dienen. Sie kann - ich nenne nur die aus
meiner Sicht wichtigsten Beispiele - genutzt werden, um staatlichen
Stellen oder Firmen im Ausland
- bei der Analyse und Lösung von Problemen bei der
Entwicklung, Herstellung, Wartung oder Nutzung von Kriegswaffen,
sonstigen Rüstungsgütern oder der in einem solchen Kontext
eingesetzten Herstellungstechnik zu helfen; oder diese
- beim Erwerb eigener Intellectual Property Rights und durch
die technische Hilfe geeigneter Entwicklungsingenieure und Berater zu
unterstützen, die entsandt werden. Technologie- und Urheberrechte
sind hier der relevanteste Teilbereich. Sie kann somit
- dazu beitragen, dass das Empfängerland
Rüstungsgüter und Kriegswaffen, sowie Komponenten dafür
sowohl für den Eigenbedarf als auch für den Export
unabhängig von deutschen Technologierechten (und damit
Mitspracherechten beim Export) hergestellt werden können.
Besonders relevante Einzelfälle können z.B. im Blick
auf Tochter- und Gemeinschaftsfirmen deutscher Firmen im Ausland
auftreten, denen der Erwerb eigenständiger Technologierechte
ermöglicht werden soll, damit sie Produkte zum Export anbieten
können, die nur den im Empfängerland gültigen
exportrechtlichen Regelungen in diesem Drittland unterliegen, nicht
aber zusätzlich rechtlichen Vorgaben aus Deutschland. Die deutsche
Industrie klagt nicht nur darüber, dass andere Länder
aufgrund der restriktiven deutschen Exportrechtspraxis Produkte "frei
von deutscher Technologie" vorziehen, sondern schafft sch selbst die
Möglichkeit, solche Produkte über ausländische
Beteiligungen zum Export anbieten zu können.
Zugleich gilt: Je komplexer das in einem Drittland anstehende
Vorhaben technologisch ist, desto seltener wird es ausschließlich
mittels technischer Unterstützung zu realisieren sein und desto
größer wird die Wahrscheinlichkeit, dass zusätzlich ein
genehmigungspflichtiger Technologieexport stattfinden muss. Die
Entwicklung eines modernen Mörser- oder Artilleriegeschosses, das
NATO-Standards erfüllt und allein auf im Ausland liegenden
Technologierechten beruht, lässt sich mit Hilfe der Technischen
Unterstützung also leichter umsetzen als beispielsweise das
Vorhaben, ein komplexes Waffensystem wie einen Panzer zu realisieren.
Technische Unterstützung kann bei einem Panzervorhaben zwar
hilfreich sein, Probleme zu lösen, aber kaum alle Schwierigkeiten
überwinden.
III. Rüstungskontrollpolitische und Nichtverbreitungsaspekte
Technologieexporte und
Technische Unterstützung tragen zur Weiterverbreitung
rüstungstechnischer Fähigkeiten ins Ausland bei. Gerade
Staaten, die autokratisch regiert werden, die Menschenrechte verletzen
oder völkerrechtlich nicht legitimierte Kriege führen
versuchen heute verstärkt, sich unabhängiger von Importen aus
Ländern zu machen, die über den Rüstungsexport versuchen
könnten, Einfluss auf die Außen- und/oder Innenpolitik des
Empfängerlandes nehmen könnten. Vor allem drei Strategien
dieser Länder sind zu beobachten:
- eine verstärkte Diversifikation beim Einkauf von
Rüstungstechnik im Ausland, um keine zu starke Abhängigkeit
von einzelnen Lieferländern eintreten zu lassen;
- der Einkauf von Rüstungsgütern in Ländern,
die Qualität liefern können und die zugleich nicht versuchen
werden, auf Politiken des Belieferten Einfluss zu nehmen und
- der das Bemühen, mehr Rüstungsgüter im
Inland zu produzieren sowie eigene, nationale Technologierechte zu
generieren.
Alle drei Strategien zielen auf größere
Unabhängigkeit von Rüstungsimporten aus Ländern, die
fordern könnten, dass von ihnen gelieferte Rüstungsgüter
nicht bei Verstößen gegen Menschen- und/oder
Völkerrecht zum Einsatz kommen.
Deutsche Wehrtechnik-Betriebe wie die Rheinmetall AG haben
sich auf diese veränderten Anforderungen und Bedürfnisse in
den letzten Jahren eingestellt und mit Strategien reagiert, die mit den
Begriffen "Internationalisierung" und "Lokalisierung" bezeichnet
werden. Sie bieten Drittländern - gerade auch umstritten
Drittländern wie Saudi-Arabien oder den VAE - die Lieferung von
gewünschten Rüstungsgütern durch ausländische
Tochter- und Gemeinschaftsfirmen an, die in Ländern beheimatet
sind, die solche Lieferungen regelmäßig und ohne
Konditionierung genehmigen und sie helfen den
Empfängerländern beim Aufbau eigener Produktionsstätten
für Rüstungsgüter. Die Gemeinschaftsfirma Rheinmetall
Denel Munition in Südafrika tut im Munitionsbereich beides.
Sie liefert in großem Umfang Munition, z.B. nach Saudi-Arabien
und in die Vereinigten Arabischen Emirate und hat in beiden
Ländern Anlagen zur Munitionsherstellung aufgebaut und
unterstützt deren Betrieb. Rheinmetall erläuterte Analysten
seine Strategie im Dezember 2016 unter der Folienüberschrift
"Strategische Ziele: Sicherung der Unabhängigkeit von deutschen
Rüstungsexportregularien und der Profitabilität".
Proliferation, die Weiterverbreitung, von
Rüstungstechnologien durch Exporte, wird bislang überwiegend
im Bereich von ABC-Waffen und deren potentiellen Trägersytemen
durch Verträge und multinationale
Nichtverbreitungsübereinkommen eingedämmt. Die
Nichtverbreitung im Bereich konventioneller Rüstungstechnologien
wird dagegen überwiegend nationalen Rüstungsexportregimen
überlassen. Hinzugekommen sind einige gemeinsame Regelungen der
EU-Staaten (Gemeinsamer Standpunkt und Dual-Use-Verordnung) und der
Arms Trade Treaty, ein erster Minimalkonsens mit globalem
Gültigkeits- und Anwendungsanspruch.
IV. Zum Lösungsansatz
1. Im deutschen Rüstungsexportrecht besteht bislang bei
der Technischen Unterstützung im Bereich konventioneller
Rüstung eine Lücke bei der Meldepflicht im Fall einer
bekannten militärischen Endverwendung der geplanten
Unterstützungsleistung - und damit auch eine Lücke im Bereich
der Genehmigungspraxis. Diese sollte möglichst rasch geschlossen
werden. Die bis heute nur für Embargoländer geltende Anzeige-
und damit ggf. Genehmigungspflicht sollte auf alle Drittländer
erweitert werden. Dieser Lückenschluss ist
rüstungsexportrechtlich und rüstungskontrollpolitisch
sinnvoll und notwendig, verursacht keine große Zahl
zusätzlicher Genehmigungsverfahren und verbessert die
Möglichkeiten der Bundesregierung, Umgehungsversuchen der
deutschen Rechtslage entgegenzuwirken. Er erweitert zudem die
Möglichkeiten der Bundesregierung auf die Weiterverbreitung von
Rüstungstechnologien politisch Einfluss auszuüben und
einzuwirken.
2. Der vorliegende Antrag von Grünen und Linken
veranlasst mich zu zwei kleinen Kommentaren, obwohl ich die politische
Stoßrichtung des Antrags richtig und wichtig finde: Zum einen:
Das in diesem Antrag als Anlass gewählte Beispiel, die geplante
Mitarbeit der deutschen Firma Rheinmetall bei der Modernisierung des
türkischen Kampfpanzerbestandes und dem Bau des neuen Kampfpanzers
Altay ist nicht ideal gewählt. Solche Projekte sind kaum mit
Technischer Unterstützung allein umzusetzen. Ein
genehmigungspflichtiger Transfer deutscher Technologierechte,
Technologien oder sogar Komponenten würde für die Umsetzung
eines solchen Vorhabens wohl zusätzlich erforderlich sein. Zudem:
Die Türkei ist zudem NATO-Mitglied, also kein Drittland.
Zum anderen: Der Vorschlag, §49 der
Außenwirtschaftsverordnung anzupassen, erscheint mir zwar als
theoretisch gangbarer Weg, ist aber erheblich komplizierter als ein
anderer und deutlich einfacherer Weg.
3. Im jüngsten Rüstungsexportbericht der Gemeinsamen
Konferenz Kirche und Entwicklung (GKKE) wird vorgeschlagen,
Aktivitäten der Technischen Unterstützung im Ausfuhrrecht
auch dann melde- und damit gegebenenfalls genehmigungspflichtig zu
machen, wenn diese Unterstützung im Blick auf eine
militärische Endverwendung für Drittstaaten erbracht werden
soll, die Nicht-Embargoländer sind. Dazu muss in §50 der
Außenwirtschaftsverordnung lediglich die Beschränkung der
Meldepflicht auf Embargoländer gestrichen werden, ein Schritt, der
keine Befassung im Bundestag erfordert und durch das
Wirtschaftsministerium eigenständig vollzogen werden kann.
4. Abschließend ein Hinweis: Es besteht weiterhin
zusätzlich eine andere Lücke: Der Bundesregiegierung fehlt
eine geeignete Möglichkeit, um Einfluss auf das Exportgebaren
ausländischer Töchter und Beteiligungen deutscher
Rüstungsunternehmen nehmen zu können, vor allem dann, wenn
diese bei ihren Exportgeschäften auf den Einsatz deutscher
Technologierechte verzichten. Diese Lücke ist heute nicht
Gegenstand der Beratung, muss aber ebenfalls dringend geschlossen
werden.
Nachtrag vom 1.2.2019
Die Debatte während der Expertenanhörung verdeutlichte, dass
es sinnvoll ist, drei potentielle Missverständnisse durch
gesonderte Klarstellung auszuräumen:
Der Vorschlag, dass die Begrenzung der Melde- und ggf.
Genehmigungspflichten des Art. 50 AWV erweitert werden sollte, und die
bereits bestehende Meldepflicht für Technische Unterstützung
bei Gütern mit militärischer Endverwendung für unter
einem internationalen Rüstungsembargo stehende Drittländer
auf alle anderen Drittländer ergänzt werden sollte
- hat keine generelle Genehmigungspflicht der Technischen
Unterstützung in jedem solchen Fall zur Folge. Er stellt
zunächst nur sicher, dass das BAFA über alle Fälle der
Technischen Unterstützung für Güter militärischer
Endverwendung in Drittländern informiert werden muss (was bislang
nicht der Fall ist). Das BAFA kann dann entscheiden, ob ein
Genehmigungsverfahren erforderlich ist;
- verursacht also auch nicht automatisch einen erheblich größeren Arbeitsaufwand für das BAFA und
- verhindert nicht die multinationale Kooperation bei
Rüstungsprojekten unter deutscher Beteiligung. Der Vorschlag
betrifft nur Drittländer und nicht die Kooperation mit der Gruppe
der EU-, NATO- und gleichgestellten Staaten. Es geht also nicht um die
Zusammenarbeit mit Staaten wie Frankreich, den USA oder der Schweiz.
ist
freier Journalist und leitet das Berliner Informationszentrum
für Transatlantische Sicherheit - BITS
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