Stellungnahme für eine Anhörung des Unterausschusses für Abrüstung, Rüstungskontrolle und Nichtverbreitung im Deutschen Bundestag am 30.1.2019


Technische Unterstützung
(redigierte Fassung mit einem Nachtrag)

von Otfried Nassauer

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I. Vorbemerkungen


1. Mein Arbeitsbereich ist die Friedensforschung und ich bin - im Gegensatz zu den anderen Vortragenden des heutigen Tages - nicht juristisch ausgebildet. Ich bitte um Nachsicht, wenn meine Ausführungen deshalb nicht dem juristischem Fachvokabular entsprechen. 

2. Ich habe die Einladung zu dieser Anhörung gerne angenommen, weil es zu dem Thema "Technische Unterstützung" nicht nur einen exportrechtlichen, sondern auch einen politischen, friedenswissenschaftlichen Zugang gibt, der aus meiner Sicht eigenständig Aspekte zu diesem Thema beiträgt, die für die Diskussion und Urteilsbildung wichtig sind.

3. Rüstungsexportrechtliche Fragen tangieren immer wieder einmal Themen, die zu der Aufgabenstellung des Unterausschusses für Abrüstung, Rüstungskontrolle und Nichtverbreitung gehören. Sie sollten deshalb auch in diesem Ausschuss regelmäßig diskutiert werden. Es sind Fragen, die außenpolitische und (außen)wirtschaftliche Bedeutung haben. Sie betreffen  vor allem die Themen Nichtverbreitung und Rüstungskontrolle. Ich freue mich deshalb, dass der Unterausschuss sich dem Thema "Technische Unterstützung" widmet und dies nicht ausschließlich dem Wirtschaftsausschuss überlässt.


II. Technische Unterstützung - wo liegt das Problem?

Technologietransfer und Technische Unterstützung werden ausfuhrrechtlich unterschieden und auch unterschiedlich behandelt. Der Technologieexport meint im Rüstungsbereich die materielle oder elektronische Ausfuhr von Herstellungstechnik, Konstruktionsunterlagen oder anderer Herstellungsunterlagen für Kriegswaffen, sonstige Rüstungsgüter und doppelt verwendbare Güter in ein anderes Land. "Technische Unterstützung" ist dagegen im Sinne eines Synonyms für den Begriff Technische Hilfe zu verstehen und meint die immaterielle Ausfuhr von Wissen zur Entwicklung, Konstruktion, Herstellung, Wartung und Nutzung von Kriegswaffen, sonstigen Rüstungsgütern und doppelt verwendbaren Gütern sowie der dazu nötigen Herstellungsmittel. Es geht also vor allem um den Export von Wissen, dass Personen in ihrem Kopf und nicht auf Papier oder z.B. auf elektronischen Datenträgern mitnehmen und übermitteln. Während der materielle Technologietransfer bei uns genehmigungspflichtig ist, ist dies bei der technischen Unterstützung nur im Blick auf ABC-Waffen und deren Trägersysteme sowie im konventionellen Bereich für jene Drittländer der Fall, die einem Waffenembargo der Vereinten Nationen, der OSZE oder der EU unterliegen. Nur dann besteht eine die geplante "Technische Unterstützung" bei Kenntnis einer militärischen Endverwendung eine Meldepflicht, die der zuständigen Behörde, dem BAFA, die Möglichkeit gibt, die technische Unterstützung eines Drittlandes gegebenenfalls zu untersagen. Die Einschränkung auf Embargo-Länder regelt der §50 der Außenwirtschaftsverordnung.

Technische Unterstützung kann im Rüstungsbereich, also im Bereich einer bekannt militärischen Endverwendung, unterschiedlichen Zwecken dienen. Sie kann - ich nenne nur die aus meiner Sicht wichtigsten Beispiele - genutzt werden, um staatlichen Stellen oder Firmen im Ausland

  • bei der Analyse und Lösung von Problemen bei der Entwicklung, Herstellung, Wartung oder Nutzung von Kriegswaffen, sonstigen Rüstungsgütern oder der in einem solchen Kontext eingesetzten Herstellungstechnik zu helfen; oder diese
  • beim Erwerb eigener Intellectual Property Rights und durch die technische Hilfe geeigneter Entwicklungsingenieure und Berater zu unterstützen, die entsandt werden. Technologie- und Urheberrechte sind hier der relevanteste Teilbereich. Sie kann somit 
  • dazu beitragen, dass das Empfängerland Rüstungsgüter und Kriegswaffen, sowie Komponenten dafür sowohl für den Eigenbedarf als auch für den Export unabhängig von deutschen Technologierechten (und damit Mitspracherechten beim Export) hergestellt werden können.

Besonders relevante Einzelfälle können z.B. im Blick auf Tochter- und Gemeinschaftsfirmen deutscher Firmen im Ausland auftreten, denen der Erwerb eigenständiger Technologierechte ermöglicht werden soll, damit sie Produkte zum Export anbieten können, die nur den im Empfängerland gültigen exportrechtlichen Regelungen in diesem Drittland unterliegen, nicht aber zusätzlich rechtlichen Vorgaben aus Deutschland. Die deutsche Industrie klagt nicht nur darüber, dass andere Länder aufgrund der restriktiven deutschen Exportrechtspraxis Produkte "frei von deutscher Technologie" vorziehen, sondern schafft sch selbst die Möglichkeit, solche Produkte über ausländische Beteiligungen zum Export anbieten zu können. 

Zugleich gilt: Je komplexer das in einem Drittland anstehende Vorhaben technologisch ist, desto seltener wird es ausschließlich mittels technischer Unterstützung zu realisieren sein und desto größer wird die Wahrscheinlichkeit, dass zusätzlich ein genehmigungspflichtiger Technologieexport stattfinden muss. Die Entwicklung eines modernen Mörser- oder Artilleriegeschosses, das NATO-Standards erfüllt und allein auf im Ausland liegenden Technologierechten beruht, lässt sich mit Hilfe der Technischen Unterstützung also leichter umsetzen als beispielsweise das Vorhaben, ein komplexes Waffensystem wie einen Panzer zu realisieren. Technische Unterstützung kann bei einem Panzervorhaben zwar hilfreich sein, Probleme zu lösen, aber kaum alle Schwierigkeiten überwinden.


III. Rüstungskontrollpolitische und Nichtverbreitungsaspekte

Technologieexporte und Technische Unterstützung tragen zur Weiterverbreitung rüstungstechnischer Fähigkeiten ins Ausland bei. Gerade Staaten, die autokratisch regiert werden, die Menschenrechte verletzen oder völkerrechtlich nicht legitimierte Kriege führen versuchen heute verstärkt, sich unabhängiger von Importen aus Ländern zu machen, die über den Rüstungsexport versuchen könnten, Einfluss auf die Außen- und/oder Innenpolitik des Empfängerlandes nehmen könnten. Vor allem drei Strategien dieser Länder sind zu beobachten:

  • eine verstärkte Diversifikation beim Einkauf von Rüstungstechnik im Ausland, um keine zu starke Abhängigkeit von einzelnen Lieferländern eintreten zu lassen;
  • der Einkauf von Rüstungsgütern in Ländern, die Qualität liefern können und die zugleich nicht versuchen werden, auf Politiken des Belieferten Einfluss zu nehmen und 
  • der das Bemühen, mehr Rüstungsgüter im Inland zu produzieren sowie eigene, nationale Technologierechte zu generieren.

Alle drei Strategien zielen auf größere Unabhängigkeit von Rüstungsimporten aus Ländern, die fordern könnten, dass von ihnen gelieferte Rüstungsgüter nicht bei Verstößen gegen Menschen- und/oder Völkerrecht zum Einsatz kommen. 

Deutsche Wehrtechnik-Betriebe wie die Rheinmetall AG haben sich auf diese veränderten Anforderungen und Bedürfnisse in den letzten Jahren eingestellt und mit Strategien reagiert, die mit den Begriffen "Internationalisierung" und "Lokalisierung" bezeichnet werden. Sie bieten Drittländern - gerade auch umstritten Drittländern wie Saudi-Arabien oder den VAE - die Lieferung von gewünschten Rüstungsgütern durch ausländische Tochter- und Gemeinschaftsfirmen an, die in Ländern beheimatet sind, die solche Lieferungen regelmäßig und ohne Konditionierung genehmigen und sie helfen den Empfängerländern beim Aufbau eigener Produktionsstätten für Rüstungsgüter. Die Gemeinschaftsfirma Rheinmetall Denel Munition  in Südafrika tut im Munitionsbereich beides. Sie liefert in großem Umfang Munition, z.B. nach Saudi-Arabien und in die Vereinigten Arabischen Emirate und hat in beiden Ländern Anlagen zur Munitionsherstellung aufgebaut und unterstützt deren Betrieb. Rheinmetall erläuterte Analysten seine Strategie im Dezember 2016 unter der Folienüberschrift "Strategische Ziele: Sicherung der Unabhängigkeit von deutschen Rüstungsexportregularien und der Profitabilität".

Proliferation, die Weiterverbreitung, von Rüstungstechnologien durch Exporte, wird bislang überwiegend im Bereich von ABC-Waffen und deren potentiellen Trägersytemen durch Verträge und multinationale Nichtverbreitungsübereinkommen eingedämmt. Die Nichtverbreitung im Bereich konventioneller Rüstungstechnologien wird dagegen überwiegend nationalen Rüstungsexportregimen überlassen. Hinzugekommen sind einige gemeinsame Regelungen der EU-Staaten (Gemeinsamer Standpunkt und Dual-Use-Verordnung) und der Arms Trade Treaty, ein erster Minimalkonsens mit globalem Gültigkeits- und Anwendungsanspruch.


IV. Zum Lösungsansatz

1. Im deutschen Rüstungsexportrecht besteht bislang bei der Technischen Unterstützung im Bereich konventioneller Rüstung eine Lücke bei der Meldepflicht im Fall einer bekannten militärischen Endverwendung der geplanten Unterstützungsleistung - und damit auch eine Lücke im Bereich der Genehmigungspraxis. Diese sollte möglichst rasch geschlossen werden. Die bis heute nur für Embargoländer geltende Anzeige- und damit ggf. Genehmigungspflicht sollte auf alle Drittländer erweitert werden. Dieser Lückenschluss ist rüstungsexportrechtlich und rüstungskontrollpolitisch sinnvoll und notwendig, verursacht keine große Zahl zusätzlicher Genehmigungsverfahren und verbessert die Möglichkeiten der Bundesregierung, Umgehungsversuchen der deutschen Rechtslage entgegenzuwirken. Er erweitert zudem die Möglichkeiten der Bundesregierung auf die Weiterverbreitung von Rüstungstechnologien politisch Einfluss auszuüben und einzuwirken.

2. Der vorliegende Antrag von Grünen und Linken veranlasst mich zu zwei kleinen Kommentaren, obwohl ich die politische Stoßrichtung des Antrags richtig und wichtig finde: Zum einen: Das in diesem Antrag als Anlass gewählte Beispiel, die geplante Mitarbeit der deutschen Firma Rheinmetall bei der Modernisierung des türkischen Kampfpanzerbestandes und dem Bau des neuen Kampfpanzers Altay ist nicht ideal gewählt. Solche Projekte sind kaum mit Technischer Unterstützung allein umzusetzen. Ein genehmigungspflichtiger Transfer deutscher Technologierechte, Technologien oder sogar Komponenten würde für die Umsetzung eines solchen Vorhabens wohl zusätzlich erforderlich sein. Zudem: Die Türkei ist zudem NATO-Mitglied, also kein Drittland.

Zum anderen: Der Vorschlag, §49 der Außenwirtschaftsverordnung anzupassen, erscheint mir zwar als theoretisch gangbarer Weg, ist aber erheblich komplizierter als ein anderer und deutlich einfacherer Weg.

3. Im jüngsten Rüstungsexportbericht der Gemeinsamen Konferenz Kirche und Entwicklung (GKKE) wird vorgeschlagen, Aktivitäten der Technischen Unterstützung im Ausfuhrrecht auch dann melde- und damit gegebenenfalls genehmigungspflichtig zu machen, wenn diese Unterstützung im Blick auf eine militärische Endverwendung für Drittstaaten erbracht werden soll, die Nicht-Embargoländer sind. Dazu muss in §50 der Außenwirtschaftsverordnung lediglich die Beschränkung der Meldepflicht auf Embargoländer gestrichen werden, ein Schritt, der keine Befassung im Bundestag erfordert und durch das Wirtschaftsministerium eigenständig vollzogen werden kann.

4. Abschließend ein Hinweis: Es besteht weiterhin zusätzlich eine andere Lücke: Der Bundesregiegierung fehlt eine geeignete Möglichkeit, um Einfluss auf das Exportgebaren ausländischer Töchter und Beteiligungen deutscher Rüstungsunternehmen nehmen zu können, vor allem dann, wenn diese bei ihren Exportgeschäften auf den Einsatz deutscher Technologierechte verzichten. Diese Lücke ist heute nicht Gegenstand der Beratung, muss aber ebenfalls dringend geschlossen werden.


Nachtrag vom 1.2.2019

Die Debatte während der Expertenanhörung verdeutlichte, dass es sinnvoll ist, drei potentielle Missverständnisse durch gesonderte Klarstellung auszuräumen:

Der Vorschlag, dass die Begrenzung der Melde- und ggf. Genehmigungspflichten des Art. 50 AWV erweitert werden sollte, und die bereits bestehende Meldepflicht für Technische Unterstützung bei Gütern mit militärischer Endverwendung für unter einem internationalen Rüstungsembargo stehende Drittländer auf alle anderen Drittländer ergänzt werden sollte

  • hat keine generelle Genehmigungspflicht der Technischen Unterstützung in jedem solchen Fall zur Folge. Er stellt zunächst nur sicher, dass das BAFA über alle Fälle der Technischen Unterstützung für Güter militärischer Endverwendung in Drittländern informiert werden muss (was bislang nicht der Fall ist). Das BAFA kann dann entscheiden, ob ein Genehmigungsverfahren erforderlich ist;
  • verursacht also auch nicht automatisch einen erheblich größeren Arbeitsaufwand für das BAFA und
  • verhindert nicht die multinationale Kooperation bei Rüstungsprojekten unter deutscher Beteiligung. Der Vorschlag betrifft nur Drittländer und nicht die Kooperation mit der Gruppe der EU-, NATO- und gleichgestellten Staaten. Es geht also nicht um die Zusammenarbeit mit Staaten wie Frankreich, den USA oder der Schweiz.


ist freier Journalist und leitet das Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit - BITS