Süddeutsche Zeitung
12. Juli 2007


Ramstein ohne Atomwaffen

von Otfried Nassauer

Auf der US-Airbase Ramstein lagern keine Atomwaffen mehr. Das ergibt sich aus einer neuen Dienstvorschrift der US-Luftwaffe. Der Fliegerhorst Büchel in der Eifel ist damit der letzte Atomwaffenstandort in Deutschland. Die Bundesregierung muss sich fragen lassen, warum sie diesen weiter für erforderlich hält.

Das größte Atomwaffenlager der USA in Europa ist offenbar nicht mehr in Betrieb. Es befindet sich auf dem US-Luftwaffenstützpunkt Ramstein in Rheinland-Pfalz. In Deutschland gibt es damit nur noch einen Nuklearwaffenstandort, den Fliegerhorst Büchel in der Eifel, auf dem auch das deutsche Jagdbombergeschwader 33 stationiert ist. In Europa sind damit künftig nur noch acht Nuklearwaffenlager mit etwa 350 US-Atomwaffen in Betrieb.

Eine neue Vorschrift der US-Luftwaffe in Europa beschreibt, welche Flugplätze in Europa in den kommenden Monaten Besuch von amerikanischen Experten für Nuklearwaffensicherheit bekommen. Diese Experten sollen den örtlichen Mannschaften bei der Vorbereitung auf die regelmäßigen Nuklearen Sicherheitsinspektionen (NSI) helfen. Alle bekannten europäischen Nuklearwaffenstandorte sind dort gelistet, auch Büchel. Ramstein aber fehlt erstmals.

Da die regelmäßigen Inspektionen für alle Nuklearstandorte in Europa Pflicht sind, geht Hans Kristensen von der Federation of American Scientists (FAS) davon aus, dass in Ramstein keine Nuklearwaffen mehr gelagert werden.


"Der beste Beweis, den man bekommen kann"

Das Pentagon, die US-Luftwaffe und das Bundesverteidigungsministerium wollen zu dieser Analyse nicht Stellung nehmen. Sie verfolgen seit Jahrzehnten eine Politik, die Anwesenheit von Nuklearwaffen an einem bestimmten Standort weder zu bestätigen noch zu dementieren. Kristensen sieht in der neuen Dienstvorschrift deshalb "den besten Beweis, den man bekommen kann", um zu belegen, dass in Ramstein keine Nuklearwaffen mehr gelagert werden.

Der Luftwaffenstützpunkt Ramstein Air Base beherbergt spezielle Lagerstätten für insgesamt 216 Atombomben der Typen B-61-3 und B-61-4. In den Boden der Flugzeugschutzbauten sind 54 sogenannte Nuklearwaffengrüfte (Vaults) eingelassen, die je vier Atomwaffen aufnehmen können. Etwa 130 Waffen waren dort zuletzt eingelagert.


Späte Genugtuung für Rot-Grün

Während der umfangreichen Bauarbeiten auf der Luftwaffenbasis in den vergangenen Jahren - Ramstein hat die Aufgaben der Rhein-Main Air Base in Frankfurt übernommen - wurden die Atomwaffen aus Sicherheitsgründen in die USA ausgelagert. Das berichtete Der Spiegel bereits 2005. Erwartet wurde damals, dass die Waffen nach Abschluss der Bauarbeiten nach Ramstein zurückgebracht würden. Dies ist wohl nicht geschehen.

Der Verzicht der USA auf die Wiedereinlagerung der Waffen ist eine späte Genugtuung für die frühere rot-grüne Bundesregierung. Deren Verteidigungsminister, Peter Struck, und der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck (beide SPD) äußerten bei einem Besuch der Baustelle 2005 Zweifel an der Notwendigkeit, künftig noch Atomwaffen in Deutschland zu lagern. Sie regten an, darüber mit den anderen Nato-Partnern zu sprechen.

Bald darauf wurde das Thema im Juni 2005 in der Nuklearen Planungsgruppe angesprochen. Der deutsche Vorstoß scheiterte. Das öffentliche Kommunique der Minister bestätigte die Nuklearpolitik der Allianz und ließ keine Veränderungen erkennen.


Nörvenich und Spangdahlem auch betroffen

Auswirkungen hat der Vorgang auch auf zwei andere Nuklearstandorte: Die amerikanischen Jagdbomber in Spangdahlem und das deutsche Tornado-Geschwader in Nörvenich verlieren ihre nukleare Aufgabe. Die Atomwaffen für beide Standorte wurden früher in Ramstein gelagert. Auch in Spangdahlem und Nörvenich finden keine Expertenbesuche zur Vorbereitung von Nuklearinspektionen mehr statt.

Das Geschwader in Nörvenich wird darüber hinaus in den kommenden Jahren seine Tornado-Flugzeuge aufgeben und auf den Eurofighter umgerüstet. Während die Tornados für den Einsatz atomarer Bomben zugelassen waren, ist der Eurofighter nicht nuklearfähig. Die Möglichkeit, Nörvenich wieder zu einem aktiven Nuklearstandort zu machen, wird damit aufgegeben.


Büchel einziger Atomwaffenstandort

In Zukunft gibt es somit nur noch einen aktiven Atomwaffenstandort in Deutschland. Beim Jagdbombergeschwader 33 in Büchel lagern weiterhin etwa 20 atomare Bomben in den elf Nuklearwaffengrüften des Fliegerhorstes. Jede hat ein Vielfaches der Zerstörungskraft jener Atomsprengsätze, die Hiroshima und Nagasaki auslöschten.

Die Bundeswehr hat zwar keine eigenen Atomwaffen, kann aber im Ernstfall amerikanische Atombomben im Rahmen der sogenannten nuklearen Teilhabe der Nato mit ihren Tornado-Jets abwerfen. Das Tornado-Geschwader hat diese Aufgabe. Bis zum Einsatz aber bleiben die Bomben unter US-Befehlsgewalt. Der US-Präsident muss dem Einsatz zuvor zustimmen und eine amerikanische Wartungs- und Sicherheitsmannschaft ist ständig präsent.


Militärisch nutzlos und rechtlich zweifelhaft

Für die Bundesregierung wird es künftig schwerer, den Verbleib atomarer Waffen in Deutschland zu begründen. Viele Experten bezweifeln, dass die Nuklearwaffen in Deutschland noch einen nachvollziehbaren, militärischen Zweck erfüllen. Sie binden vor allem teures Personal und verursachen hohe Kosten. Da Washington mit den Atomwaffen in Ramstein auch die Bomben für die amerikanischen Kampfflugzeuge in Deutschland abgezogen hat, muss Berlin jetzt begründen, warum gerade die deutsche Luftwaffe weiterhin Nuklearwaffen braucht.

Zudem ist die Zulässigkeit der nuklearen Teilhabe der Nato seit Jahren umstritten. Viele nicht-nukleare Mitglieder des Atomwaffensperrvertrages bezweifeln, dass es zulässig ist, das deutsche Flugzeuge mit deutschen Piloten theoretisch amerikanische Atomwaffen einsetzen können. Der Atomwaffensperrvertrag verlangt von den Atommächten, dass sie jederzeit die Kontrolle über ihre Nuklearwaffen behalten. Ausnahmen kenne der Vertrag nicht.


Nato überdenkt Atomwaffen-Bedarf

In der Nato arbeitet derzeit die sogenannte Hochrangige Beratergruppe (HLG) Vorschläge für den künftigen Bedarf der Allianz an nuklearen Waffen aus. Als die Nato-Verteidigungsminister am 15. Juni 2007 als Nukleare Planungsgruppe der Nato zusammentraten, hielten sie erneut fest, die Allianz unterhalte Nuklearstreitkräfte "in dem geringsten Umfang, der für die Aufrechterhaltung von Frieden und Stabilität hinlänglich" sei.


 

ist freier Journalist und leitet das Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit - BITS