Süddeutsche Zeitung
13. Oktober 2003


Deutschland lieferte die Plattform

Interview mit Otfried Nassauer


Fast zeitgleich mit den Berichten in der "Los Angeles Times" über das israelische Rüstungsprogramm hat das Berliner Informationszentrum für Transatlantische Studien (BITS) einen Bericht über deutsch-israelische Rüstungsprojekte erstellt. Demnach lieferte Deutschland seit 1999 drei Dolphin-U-Boote an Israel, von denen aus auch nukleare Sprengköpfe abgefeuert werden könnten. Die "Süddeutsche Zeitung" sprach mit dem Leiter des Zentrums, Otfried Nassauer.

SZ: Ist Israel mit Hilfe deutscher U-Boote in der Lage, seegestützte Atomwaffen einzusetzen?

Nassauer: Deutschland hat Israel die Waffenplattform zum Abschuss atomar bestückter Flugkörper geliefert. Das kann man Beihilfe zur Proliferation nennen. orgen macht mir auch, dass Israel Ende vorigen Jahres den Wunsch nach zwei weiteren U-Booten geäußert hat.

SZ: Aus Ihrer Sicht ein Verstoß gegen deutsche Exportrichtlinien?

Nassauer: Ja, die Richtlinien werden auf Grund der historischen Verantwortung in Bezug auf Israel sehr viel weniger restriktiv ausgelegt als gegenüber anderen Staaten. Ägypten und Taiwan hätten diese U-Boote sicher nicht bekommen, selbst beim Nato-Land Türkei hätte es wohl Diskussionen gegeben. Laut den Exportrichtlinien soll zum Beispiel das Proliferationsverhalten des Empfängerlandes eine Rolle spielen. Israel aber hat keinen der wichtigen internationalen Verträge über die Nichtweiterverbreitung von Massenvernichtungswaffen ratifiziert, auch nicht den Atomwaffensperrvertrag.

SZ: Ist es nicht verständlich, dass sich Israel um Abschreckung bemüht, wenn Iran ein solches Geheimnis um seine atomaren Ambitionen macht?

Nassauer: Natürlich löst das iranische Atomprogramm Sorge aus, weil sich Teheran mit der nötigen Transparenz gegenüber der internationalen Atomenergiebehörde so schwer tut. Andererseits darf man nicht vergessen, dass Israel bereits eine Nuklearmacht war, bevor die ersten arabisch- islamischen Staaten Programme über Massenvernichtungswaffen begonnen haben. Insofern fragt sich, ob deren Programme nicht vielmehr eine Reaktion auf Israels Atompolitik sind. Dazu passen auch jüngste Meldungen, dass Saudi-Arabien ebenfalls atomare Interessen habe.

SZ: Muss sich Israel also internationaler Kontrolle unterziehen?

Nassauer Auch Israel sollte dem Atomwaffensperrvertrag beitreten, der ja letztendlich das Ziel hat, weltweit alle Nuklearwaffen abzuschaffen.

SZ: Wer aber könnte Israel dazu bewegen und den nötigen Druck ausüben?

Nassauer: Das können nur die engsten Freunde, also die USA und die Europäer. Auf andere würde Israel nicht hören.

Interview: Frank Nienhuysen

 

ist freier Journalist und leitet das Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit (BITS).