taz, Kommentar
07. Januar 2004

Vorläufige Erfolgserlebnisse
Atom: US-Falken frohlocken über Nordkorea, Libyen und Iran

Otfried Nassauer

Die Meldungen überschlagen sich: Der Iran hat der EU zugesagt, sein Atomprogramm auf die zivilen Anteile zu begrenzen - kontrollierbar und gegen technische Hilfe. Libyen verzichtet gegenüber Washington und London auf alle Massenvernichtungswaffen. Nordkorea bietet Gespräche über den Verzicht auf sein Atomprogramm an. Indien und Pakistan versuchen sich im entspannenden Dialog auf höchster Ebene. Kommt Bewegung in die nukleare Nichtverbreitungspolitik? Kann der Trend der letzten Jahre - eine wachsende Zahl von Ländern mit Hang zur eigenen Bombe - wieder umgekehrt werden? Kann George W. Bush im Wahljahr 2004 mit Nichtverbreitungserfolgen glänzen? Ganz ohne erneuten Krieg?

Sicher scheint: Washingtons neokonservative Falken rufen - verhalten noch - ihren Sieg aus. Sie hätten es immer gesagt: Unter Druck zerfällt die "Achse des Bösen", ein erhofftes und beabsichtigtes Nebenprodukt der entwaffnenden Demonstration amerikanischer Militärmacht im Irak. Die Botschaft: Wer nicht freiwillig abrüstet, wird abgerüstet, und jetzt purzeln die Dominosteine.

Doch auch wenn die Schlagzeilen es suggerieren: Ganz so eindeutig, wie manch vorwahlkämpfender Republikaner es gerne hätte, ist das Ergebnis nicht. Die härtesten nuklearen Nüsse bleiben ungeknackt: Pakistan, Indien und nicht zu vergessen Israel. Dazu kommt künftig wohl Saudi-Arabien, das über eine nukleare Zukunft nachdenkt. Pakistan und Saudi-Arabien sind zugleich Washingtons größte Sorgenkinder bei der Bekämpfung des Terrorismus und im Blick auf das Projekt "Demokratisierung der islamischen Welt".

Und selbst die kleineren Nüsse können noch nicht wirklich als geknackt gelten. Nordkorea fordert wirtschaftliche Kompensationen, die, würden sie erfolgen, das Überleben der Diktatur auf Jahre absichern sollen. Unklar bleibt, ob George W. Bush dabei ein besseres Ergebnis heraushandelt als Bill Clinton. Und Libyen: Gaddafi galt eher als Kandidat für den Versuch, eine fertige Bombe zu kaufen, die als Prestigeobjekt dienen sollte. Das kann er weiterhin tun, auch ohne eigenes Atomprogramm. Im Kern hat er andere Prioritäten: Er will Libyen aus der Quarantäne herausführen, die Wirtschaft modernisieren und setzt auf eine gestaltende Rolle seines Landes bei kommenden Projekten der afrikanischen Integration.

Was also ist bereits wirklich gewonnen? Die Hoffnung, dass die nuklearen Optionen des Irans begrenzt wurden und Libyen auf Massenvernichtungswaffen anderer Art verzichtet. Mehr noch nicht."

 

ist freier Journalist und leitet das Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit (BITS).