taz
26. Januar 2002

Planung braucht Visionen

Militär-Airbus: Die Bundeswehr muß lernen, europäisch zu denken

Otfried Nassauer

Rudolf Scharping hat wieder zugeschlagen: Am 18. Dezember unterzeichnete der Bundesverteidigungsminister mit sieben Kollegen einen Vertrag über 196 militärische Transportflugzeuge vom Typ Airbus 400 M - ohne dass das nötige Geld dafür bewilligt war. Zugleich erklärte Scharping, er unterschreibe vorbehaltlich der Zustimmung des Bundestages. Flugs forderten die Vertragspartner, diese müsse bis Ende Januar vorliegen, sonst sei der Vertrag gegenstandslos. Davon setzte Scharping immerhin das Kanzleramt in Kenntnis, nicht aber den Bundestag. Der erfuhr von der brisanten Nebenabsprache erst Mitte Januar - im Spiegel. Seither ist Schadensbegrenzung angesagt.

Am späten Donnerstag beschloss der Bundestag, das erforderliche Geld für 73 deutsche Flugzeuge - 3,4 Milliarden laut Schaping, 4,4 Milliarden laut Bundesrechnungshof - im nächsten Haushalt bereitzustellen. Rüstungsbeschaffung per Entschließungsantrag, Haushaltspolitik per Willenserklärung - ein einmaliger Vorgang. Die europäischen Partner müssen nun entscheiden, ob ihnen die deutsche Zusicherung reicht. Wenn nein, ist das Projekt gescheitert. Wenn ja, müssen der neue Bundestag und eine neue Bundesregierung nach der Wahl entscheiden, ob sie sich durch diesen Beschluss gebunden sehen. Ist dem so, dann braucht das Verteidigungsministerium mehr Geld - und die Haushaltskonsolidierung scheitert.

Hinter der Debatte über Scharpings Erpressungsversuch verschwinden wichtige Fragen: Lösen 73 Militärairbusse die Lufttransportprobleme der Zukunft? Sind sie ein richtiger Schritt auf dem Weg zu einer eigenständigen europäischen Krisenmanagementpolitik? Hat die Bundeswehr ein schlüssiges Konzept für ihre eigene Modernisierung unter dem Vorzeichen europäischer Integration und veränderter Aufgaben?

Die Bundeswehr braucht Transportflugzeuge für Auslandseinsätze. Europa benötigt Lufttransportkapazitäten für eine eigenständige Politik. Aber 73 Flugzeuge für die Bundeswehr, 196 für Europa - das ist nicht nur viel zu viel, sondern auch kurzsichtig. All diese Maschinen decken das gleiche Leistungsspektrum ab. Benötigt wird aber ein flexibler Flottenmix über die ganze Bandbreite militärischen Lufttransports, der sich auf europäischer Ebene ergänzt. Wenn die Bundeswehr nicht lernt, Modernisiserung europäisch zu buchstabieren, wird sie weiterhin einzelne Verwundete mit Airbussen evakuieren müssen. Das ist dann einfach nur eines: extrem teuer.

Otfried Nassauer ist freier Journalist und leitet das Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit (BITS).