Gastbeitrag
Streitkräfte und Strategien - NDR info
09. August 2020


Truppenabzug ohne Strategie
Trump-Strafaktion gegen Deutschland schadet den USA

Andreas Flocken


Immer wieder hat Donald Trump Deutschland gedroht, einen Großteil der US-Truppen abzuziehen. Und er meint es ernst.  In der vergangenen Woche kündigte Pentagonchef Mark Esper an, die USA würden knapp 12.000 Soldaten abziehen. Künftig soll die Obergrenze der in Deutschland stationierten Truppen maximal 25.000 betragen. Mehrere Hauptquartiere und Verbände werden in benachbarte Länder verlegt, rund 6.000 Soldaten in die USA zurückkehren. Esper zufolge werden diese Veränderungen die NATO und die Abschreckung gegenüber Russland stärken. Außerdem würden die US-Streitkräfte und das europäische US-Hauptquartier EUCOM künftig erheblich flexibler agieren können.

O-Ton Esper
„These changes will achieve the core principles of enhancing U.S. and NATO deterrence of Russia, strengthening NATO, reassuring allies, and improving U.S. strategic flexibility and EUCOM operational flexibility.”

Esper verkauft den Abzug als eine sinnvolle, schon länger geplante militärische Umstrukturierung. Doch diese Begründung ist schwach und wenig überzeugend. Denn der Teilabzug wird die NATO - aber auch die USA – schwächen. Selbst für US-Militärs macht diese Ankündigung keinen Sinn.

Der wahre Grund ist, dass der emotionale US-Präsident Deutschland abstrafen will. Seit Jahren kritisiert Donald Trump, dass Deutschland sich nicht an das vor sechs Jahren vereinbarte Ziel halte, bis 2024 zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für die Verteidigung auszugeben. Trump redete gegenüber Journalisten kurz nach der Esper-Ankündigung Klartext – unmittelbar vor dem Hubschrauber-Abflug zu einem Termin. Die Truppen würden reduziert, weil Deutschland seine Rechnungen nicht bezahle. Die USA würden ausgenutzt – beim Handel und auf militärischem Gebiet.

O-Ton Trump
„Germany is supposed to pay for it. We are protecting Germany. So we're reducing the force because they're not paying their bills. It is very simple. They are delinquent.“

Aus Sicht von Trump ist also alles ganz einfach. Das US-Jagdgeschwader in Spangdahlem soll nach Italien verlegt werden, das Hauptquartier der US-Streitkräfte in Europa von Stuttgart nach Belgien. Dass diese beiden Länder noch weniger als Deutschland für die Verteidigung ausgeben, spielt dabei keine Rolle.

Wirtschaftlich, militärisch und vor allem politisch macht die Ankündigung wenig Sinn. Das weiß eigentlich auch Pentagonchef Esper. Aber er ist kein politisches Schwergewicht, hat nicht das Ohr des Präsidenten. Vor einigen Wochen - während des Streits um einen möglichen Einsatz von regulären Truppen bei Unruhen in den USA - war Trump kurz davor, seinen Verteidigungsminister zu feuern.

Das Pentagon hat im Weißen Haus, im Entscheidungszentrum, wenig zu melden. Einflussreich sind dagegen der Nationale Sicherheitsberater Robert O’Brien und der bisherige Botschafter in Deutschland, Richard Grenell. Beide befürworten schon lange einen Rückzug der US-Truppen aus der Bundesrepublik. Nach US-Medienberichten soll insbesondere O’Brien den Verteidigungsminister desavouiert haben. Der Nachrichtensender CNN spekuliert, O’Brien wolle bei einer zweiten Amtszeit von Trump selbst Pentagonchef werden, und Grenell versuche, sich als künftiger Außenminister zu positionieren.

Der angekündigte Truppenabzug spiegelt insofern auch den schwelenden Konflikt zwischen Pentagon und dem Weißen Haus wider. Trumps Unzufriedenheit mit Esper ist zugleich ein Hinweis auf das inzwischen schwierige Verhältnis des Präsidenten zur militärischen Führung.

Nicht nur Militärs halten den Truppenabzug für falsch. Kritik kommt auch von Trumps Parteifreunden. Für Senator Mitt Romney ist der Abzug eine schlechte Idee. Zumal Deutschland bei den Verteidigungsausgaben inzwischen bereits bei rund eineinhalb Prozent sei und auf dem besten Weg Richtung zwei Prozent.

O-Ton Romney
„Germany is already one and a half percent and is on track to get the two percent. At all appearence the withdrawal of 10.000 troops from Germany is a very bad Idea."

Proteste gibt es auch bei Kongressabgeordneten. Das Budgetrecht liegt beim Parlament. Die Mittel für die Umstrukturierung müssen vom Kongress gebilligt werden. Viele Abgeordnete sind aber von der Abzugsankündigung nicht überzeugt. Das letzte Wort dürfte daher hier noch nicht gesprochen sein.

In Berlin selbst hält sich die Bundesregierung zurück. Sie versucht, den Ball flach zu halten, gibt sich nach außen diplomatisch. Allerdings wachsen die Vorbehalte gegen die USA - bei der Opposition, aber auch bei den Regierungsparteien. SPD-Fraktionschef Mützenich hat gemeinsame Rüstungsprojekte mit den USA in Frage gestellt. Das Verteidigungsministerium strebt u.a. an, in den USA F-18 Kampfflugzeuge zu kaufen. Sie sollen den Tornado als Trägerflugzeug von US-Atomwaffen ablösen. Außerdem benötigt die Bundeswehr dringend schwere Transporthubschrauber. Auf dem Wunschzettel stehen US-Systeme.

SPD-Chefin Saskia Esken kritisierte generell die Militärausgaben. Im SWR stellte sie das Zwei-Prozent-Ziel in Frage, zu dem sich die Bundesregierung verpflichtet hat.

O-Ton Esken
„Das ist sicher bei weitem nicht notwendig. Das wäre fast eine Verdoppelung des Budgets, gerade im Moment. Ich wüsste gar nicht, wofür die Bundeswehr das ausgeben wollte.“

Eine Aussage, die von Unionspolitikern zurückgewiesen wird. Trumps Entscheidung stößt nicht nur in Deutschland auf Kritik. Auch bei anderen NATO-Mitgliedern wird die Ankündigung als eine Schwächung der Militärallianz gesehen. Die transatlantischen Beziehungen sind in einer schweren Krise. Die Kluft zwischen den USA und den anderen Bündnismitgliedern wird sich weiter vertiefen.

Ob die Trump-Entscheidung allerdings Bestand haben wird, ist keineswegs sicher. Denn die Umsetzung wird den USA nicht nur Milliarden kosten, sie wird auch mehrere Jahre dauern. Der bayerische Ministerpräsident Söder:

O-Ton Söder
„Wir bedauern das sehr. Wir hoffen auch, dass es vielleicht noch einmal überdacht wird nach den Neuwahlen in den USA.“

Eine Hoffnung, die von der Bundesregierung geteilt wird - auch wenn sie das natürlich nicht offiziell sagt.


 

Andreas Flocken ist Redakteur für die Hörfunk-Sendung "Streitkräfte und Strategien" bei NDRinfo.