Truppenabzug ohne Strategie
Trump-Strafaktion gegen Deutschland schadet den USA
Andreas Flocken
Immer wieder hat Donald Trump Deutschland gedroht, einen Großteil
der US-Truppen abzuziehen. Und er meint es ernst. In der
vergangenen Woche kündigte Pentagonchef Mark Esper an, die USA
würden knapp 12.000 Soldaten abziehen. Künftig soll die
Obergrenze der in Deutschland stationierten Truppen maximal 25.000
betragen. Mehrere Hauptquartiere und Verbände werden in
benachbarte Länder verlegt, rund 6.000 Soldaten in die USA
zurückkehren. Esper zufolge werden diese Veränderungen die
NATO und die Abschreckung gegenüber Russland stärken.
Außerdem würden die US-Streitkräfte und das
europäische US-Hauptquartier EUCOM künftig erheblich
flexibler agieren können.
O-Ton Esper
„These changes will achieve the core principles of enhancing U.S.
and NATO deterrence of Russia, strengthening NATO, reassuring allies,
and improving U.S. strategic flexibility and EUCOM operational
flexibility.”
Esper verkauft den Abzug als eine sinnvolle, schon länger
geplante militärische Umstrukturierung. Doch diese Begründung
ist schwach und wenig überzeugend. Denn der Teilabzug wird die
NATO - aber auch die USA – schwächen. Selbst für
US-Militärs macht diese Ankündigung keinen Sinn.
Der wahre Grund ist, dass der emotionale US-Präsident
Deutschland abstrafen will. Seit Jahren kritisiert Donald Trump, dass
Deutschland sich nicht an das vor sechs Jahren vereinbarte Ziel halte,
bis 2024 zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für die
Verteidigung auszugeben. Trump redete gegenüber Journalisten kurz
nach der Esper-Ankündigung Klartext – unmittelbar vor dem
Hubschrauber-Abflug zu einem Termin. Die Truppen würden reduziert,
weil Deutschland seine Rechnungen nicht bezahle. Die USA würden
ausgenutzt – beim Handel und auf militärischem Gebiet.
O-Ton Trump
„Germany is supposed to pay for it. We are protecting Germany. So
we're reducing the force because they're not paying their bills. It is
very simple. They are delinquent.“
Aus Sicht von Trump ist also alles ganz einfach. Das
US-Jagdgeschwader in Spangdahlem soll nach Italien verlegt werden, das
Hauptquartier der US-Streitkräfte in Europa von Stuttgart nach
Belgien. Dass diese beiden Länder noch weniger als Deutschland
für die Verteidigung ausgeben, spielt dabei keine Rolle.
Wirtschaftlich, militärisch und vor allem politisch macht
die Ankündigung wenig Sinn. Das weiß eigentlich auch
Pentagonchef Esper. Aber er ist kein politisches Schwergewicht, hat
nicht das Ohr des Präsidenten. Vor einigen Wochen - während
des Streits um einen möglichen Einsatz von regulären Truppen
bei Unruhen in den USA - war Trump kurz davor, seinen
Verteidigungsminister zu feuern.
Das Pentagon hat im Weißen Haus, im
Entscheidungszentrum, wenig zu melden. Einflussreich sind dagegen der
Nationale Sicherheitsberater Robert O’Brien und der bisherige
Botschafter in Deutschland, Richard Grenell. Beide befürworten
schon lange einen Rückzug der US-Truppen aus der Bundesrepublik.
Nach US-Medienberichten soll insbesondere O’Brien den
Verteidigungsminister desavouiert haben. Der Nachrichtensender CNN
spekuliert, O’Brien wolle bei einer zweiten Amtszeit von Trump
selbst Pentagonchef werden, und Grenell versuche, sich als
künftiger Außenminister zu positionieren.
Der angekündigte Truppenabzug spiegelt insofern auch den
schwelenden Konflikt zwischen Pentagon und dem Weißen Haus wider.
Trumps Unzufriedenheit mit Esper ist zugleich ein Hinweis auf das
inzwischen schwierige Verhältnis des Präsidenten zur
militärischen Führung.
Nicht nur Militärs halten den Truppenabzug für
falsch. Kritik kommt auch von Trumps Parteifreunden. Für Senator
Mitt Romney ist der Abzug eine schlechte Idee. Zumal Deutschland bei
den Verteidigungsausgaben inzwischen bereits bei rund eineinhalb
Prozent sei und auf dem besten Weg Richtung zwei Prozent.
O-Ton Romney
„Germany is already one and a half percent and is on track to get
the two percent. At all appearence the withdrawal of 10.000 troops from
Germany is a very bad Idea."
Proteste gibt es auch bei Kongressabgeordneten. Das
Budgetrecht liegt beim Parlament. Die Mittel für die
Umstrukturierung müssen vom Kongress gebilligt werden. Viele
Abgeordnete sind aber von der Abzugsankündigung nicht
überzeugt. Das letzte Wort dürfte daher hier noch nicht
gesprochen sein.
In Berlin selbst hält sich die Bundesregierung
zurück. Sie versucht, den Ball flach zu halten, gibt sich nach
außen diplomatisch. Allerdings wachsen die Vorbehalte gegen die
USA - bei der Opposition, aber auch bei den Regierungsparteien.
SPD-Fraktionschef Mützenich hat gemeinsame Rüstungsprojekte
mit den USA in Frage gestellt. Das Verteidigungsministerium strebt u.a.
an, in den USA F-18 Kampfflugzeuge zu kaufen. Sie sollen den Tornado
als Trägerflugzeug von US-Atomwaffen ablösen. Außerdem
benötigt die Bundeswehr dringend schwere Transporthubschrauber.
Auf dem Wunschzettel stehen US-Systeme.
SPD-Chefin Saskia Esken kritisierte generell die
Militärausgaben. Im SWR stellte sie das Zwei-Prozent-Ziel in
Frage, zu dem sich die Bundesregierung verpflichtet hat.
O-Ton Esken
„Das ist sicher bei weitem nicht notwendig. Das wäre fast
eine Verdoppelung des Budgets, gerade im Moment. Ich wüsste gar
nicht, wofür die Bundeswehr das ausgeben wollte.“
Eine Aussage, die von Unionspolitikern zurückgewiesen
wird. Trumps Entscheidung stößt nicht nur in Deutschland auf
Kritik. Auch bei anderen NATO-Mitgliedern wird die Ankündigung als
eine Schwächung der Militärallianz gesehen. Die
transatlantischen Beziehungen sind in einer schweren Krise. Die Kluft
zwischen den USA und den anderen Bündnismitgliedern wird sich
weiter vertiefen.
Ob die Trump-Entscheidung allerdings Bestand haben wird, ist
keineswegs sicher. Denn die Umsetzung wird den USA nicht nur Milliarden
kosten, sie wird auch mehrere Jahre dauern. Der bayerische
Ministerpräsident Söder:
O-Ton Söder
„Wir bedauern das sehr. Wir hoffen auch, dass es vielleicht noch
einmal überdacht wird nach den Neuwahlen in den USA.“
Eine Hoffnung, die von der Bundesregierung geteilt wird - auch wenn sie das natürlich nicht offiziell sagt.
Andreas Flocken ist Redakteur
für die Hörfunk-Sendung "Streitkräfte und
Strategien" bei NDRinfo.
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