Der vierte Entwurf der Irak-Resolution
Otfried Nassauer im Gespräch mit
Herrn Meurer
Meurer: Am Telefon
begrüße ich Otfried Nassauer. Er ist der Direktor des
Informationszentrums für transatlantische Sicherheit in Berlin.
Guten Tag, Herr Nassauer.
Nassauer: Guten Tag, Herr Meurer!
Meurer: Wie sehr, glauben Sie, haben die Amerikaner wirklich nachgegeben in dieser Resolution?
Nassauer: In den beiden Kernfragen haben sie auf keinen Fall
nachgegeben. Die politische und wirtschaftliche Zukunft des Iraks wird
im Wesentlichen von den Koalitionsmächten, die diesen Krieg
gewonnen haben, bestimmt. Und zum zweiten: Die Vereinten Nationen
bekommen zwar eine als vital beschriebene Rolle, aber vital heißt
nicht, dass sie die wirtschaftliche und politische Zukunft des Iraks
bestimmen können. Und damit ist eine Situation gegeben, in der es
zwar nicht mehr so ist wie im ersten Entwurf, dass Washington und
London relativ frei hätten über das Vermögen des Iraks
entscheiden können zusammen mit der Interimsregierung, sondern da
jetzt beratend die UNO mit zulassen müssen. Das aber bedeutet
immer noch nicht, dass die Vereinten Nationen tatsächlich wirklich
die politische und wirtschaftliche Zukunft des Iraks bestimmen werden.
Meurer: Also, die Amerikaner haben das Sagen, und die Uno wird bestenfalls beratend zur Seite stehen.
Nassauer: Das ist in der Tat der Fall, und es wird wahrscheinlich auch
für den Spezialkoordinator der Vereinten Nationen kein einfaches
Spiel.
Meurer: Darf man einer solchen Resolution zustimmen, wenn man die Rolle der UNO stärken und nicht schwächen will?
Nassauer: Das ist die entscheidende Frage. Ich denke, dass man aus
prinzipiellen Gründen hätte eigentlich nicht zustimmen
können, dass man sich aber aus politischen Gründen
entschlossen hat, das trotzdem zu tun. Und zwar die auch von Ihrem
Korrespondenten aus Paris erwähnte Frage der Destabilisierung des
Nahen und Mittleren Ostens, die als Gefahr im Hintergrund lauert, die
dürfte die mitentscheidende Rolle in dieser Frage gespielt haben.
Meurer: Also, die Einsicht, dass die UNO es gar nicht schaffen würde, für Stabilität im Irak zu sorgen?
Nassauer: Nein, weniger diese Frage als die Frage, dass, wenn
der jetzige Zustand unbegrenzt weiter geht, es zu immer mehr
Destabilisierung im Nahen und mittleren Osten kommen kann, und damit
natürlich eine Gefahr entsteht, die insbesondere auch Europa und
Russland durchaus sehr direkt betreffen kann. Die Tatsache, dass die
Amerikaner die Situation im Irak nicht in der Geschwindigkeit unter
Kontrolle bekommen haben, die wir vielleicht erhofft haben, und die
Tatsache, dass die humanitäre Situation im Irak immer
katastrophaler wird, immer noch. Das sind die beiden Gründe, die
möglicherweise dafür gesorgt haben, dass hier entschieden
wurde: O.k., wir verzichten auf die Einhaltung des Prinzips und hoffen,
dass wir uns im Prozess - und das ist ja eine indirekte Hoffnung, die
ausgedrückt worden ist - im Prozess dann doch letztendlich
durchsetzen und die UNO Schritt für Schritt immer mehr
Verantwortung übernimmt.
Meurer: Wie sehr, glauben Sie,
haben sich vor allen Dingen Frankreich und Russland, aber auch
Deutschland von dem Gedanken leiten lassen: Wir müssen ja schauen,
dass wir wieder ein gutes Verhältnis zu den USA bekommen? Und
machtpolitisch ist es für uns besser zu kooperieren als erneut
gegen Washington zu arbeiten?
Nassauer: Das dürfte mit an Sicherheit grenzender
Wahrscheinlichkeit eine Rolle gespielt haben. Es wird aber meiner
Einschätzung nach nicht die überwiegende Rolle gespielt
haben. Ich glaube schon, dass die Destabilisierung des Nahen und
Mittleren Ostens die größere Frage war, und dass man hofft,
dass man trotzdem jetzt über die Zusammenarbeit in der Irak-Frage
Washington jetzt auch in der UNO wieder stärker einbinden kann.
Nur, Prinzip Hoffnung an der Stelle, da habe ich meine Zweifel, dass
das funktioniert.
Meurer: Wie sehr wird es Washington, dass ja zuletzt sehr scharfe
Töne, gerade gegen Paris gerichtet hat, besänftigen, was
gestern Abend in Paris beschlossen wurde?
Nassauer: Ich denke, dass Washington möglicherweise
einfach sagt: Danke. Und das heißt: Ihr habt jetzt das gemacht,
was wir eigentlich von euch immer schon wollten, nämlich uns zu
unterstützen in einer Frage, die für uns politisch wichtig
ist. Aber das ist eine Selbstverständlichkeit, und dafür habt
ihr nicht mehr als ein verbales Danke verdient.
Meurer: So richtig aus vollem Herzen kommt das Dankeschön dann nicht?
Nassauer: Nein, überhaupt nicht. Das wird auch nicht mit
größeren Gegenleistungen verbunden sein mit Ausnahme
vielleicht der Beachtung einiger wirtschaftlicher Interessen die
Frankreich und Russland haben.
Meurer: Das war Otfried Nassauer, Direktor des Informationszentrums
für transatlantische Sicherheit zur neuen Irak-Resolution,
über die heute Abend abgestimmt werden soll in New York. Ich
bedanke mich, Herr Nassauer. Wiederhören!
ist
freier Journalist und leitet das Berliner Informationszentrum
für Transatlantische Sicherheit - BITS
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