Münchener Merkur
24. Juni 2008


Interview zur nuklearen Teilhabe

Interview mit Otfried Nassauer

Nach Berichten über Mängel in den US-Lagern in Deutschland verlangt die Opposition den Abzug aller Atomwaffen. Wir sprachen darüber mit Otfried Nassauer vom Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit (BITS):


Menner (Münchener Merkur): Wie sicher sind die Atomwaffen in Deutschland gelagert?

Nassauer: Die US-Luftwaffe hat festgestellt, dass es Sicherheitsprobleme gibt, die Sicherheit aber nicht grundsätzlich gefährdet ist. Es ging um reparaturbedürftige Zäune, Beleuchtungseinrichtungen und Gebäude, und um Dinge, die sich aus einer unterschiedlichen Sicherheitskultur ableiten. Für die USA stellt es zum Beispiel ein Sicherheitsrisiko dar, wenn Wehrpflichtige oder Gewerkschaftsmitglieder Atomwaffen bewachen. Europäer sehen das anders.

Menner: Ist es theoretisch vorstellbar, dass Terroristen Zugriff auf diese Waffen bekommen könnten?

Nassauer: Als die Unterflur-Magazine in Büchel (Rheinland-Pfalz) Ende der 80er- und Anfang der 90er-Jahre angelegt wurden, in denen die Atomwaffen lagern, wurden sie so konzipiert, dass sie einem Feuer oder einem terroristischen Angriff für mindestens 30 Minuten standhalten sollten. US-Wacheinheiten üben auch für eine eventuelle Rückeroberung der Waffen. Das ist ein unwahrscheinliches Szenario – es kommt auch so nicht in dem Bericht vor.

Menner: Ist Büchel der einzige Lagerort für US-Atomwaffen in Deutschland?


Nassauer: Ja. In Büchel lagern 10 bis 20 Atombomben. Früher waren auch in Ramstein ca 130 US-Atomwaffen gelagert, aber die wurden 2004 in die USA verlegt. In Europa bestehen noch Atomdepots in Italien, Großbritannien, der Türkei, Holland und Belgien.

Menner: Machen diese Atomwaffen in Deutschland nach dem Ende des Kalten Krieges überhaupt noch Sinn?

Nassauer: Nein - weder militärisch noch politisch. Militärisch nicht, weil es keine Ziele gibt, gegen die man sie theoretisch einsetzen könnte. Und politisch nicht, weil die Hauptargumente, warum man sie brauchte, heute nicht mehr greifen. Wenn das Argument, wir müssen mitmachen, um mitentscheiden zu können, noch gelten würde, hätte die Nato Mitglieder mit unterschiedlichen Sicherheitsgarantien. Die meisten Nato-Länder haben keine Atomwaffen auf ihrem Gebiet und sind deswegen nicht unsicherer. Wenn diese Atomwaffen nötig wären um Amerika mit Europa zu verkoppeln, würde das bedeuten, dass die Nato zerrissen ist und die Europäer an Amerikas Abschreckungsgarantie zweifeln.

Und schließlich das Argument des Unions-Außenpolitikers Eckart von Klaeden: Wir benötigen Atomwaffen, um künftig von einem atomar gerüsteten Iran nicht erpresst werden zu können: Was für ein mangelndes Selbstbewusstsein müsste die Bundesrepublik haben, um auf so einen Gedanken kommt? Wie wenig vertraut er den USA? Diese Waffen machen Deutschland doch nicht zu einer Quasi-Atommacht.

Die NATO verfügt außerdem über weitere Atomwaffen - strategische Atomwaffen auf US- und britischen U-Booten. Die Abschreckung ist also auch nach einem Abzug weiter gegeben.


 

ist freier Journalist und leitet das Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit - BITS