Streitkräfte und Strategien - NDR info
11. Februar 2006


Söldner-Einsätze in rechtlicher Grauzone

Warum die Staaten wenig Interesse an einer Status-Klärung haben

von Christopher Steinmetz

Seit den 90er Jahren erlebt die Internationale Gemeinschaft eine Renaissance des Söldnerwesens - nicht nur in Afrika, sondern auch in Europa und den USA. Im Unterschied zu früher, firmieren die Söldner von heute allerdings als "private Sicherheits- oder Militärdienstleister". Sie bieten die gesamte Palette militärischer Leistungen an: Von Logistik über Wachdienst bis hin zur Durchführung von Kampfeinsätzen.

Dass die Söldnerfirmen diese Dienste weltweit anbieten können, hängt mit ihrem zurzeit vagen völkerrechtlichen Status zusammen. Zwar ist die Teilnahme von Söldnern an bewaffneten Konflikten durch das Zusatzprotokoll zum Genfer Abkommen von 1977 geächtet. Doch erleichterte die dort gebrauchte Definition eines Söldners die Umgehung des Verbots. Auch der zweite Versuch aus dem Jahr 1989, mittels einer Internationalen Konvention das Verbot zu stärken, blieb für die Praxis bedeutungslos: Nur 19 Staaten haben die Konvention bis heute ratifiziert.

Bislang scheinen die meisten Länder das gegenwärtige rechtliche Vakuum einem grundsätzlichen Verbot vorzuziehen. Kein Staat will sich die Option verbauen, bei militärischen Interventionen auf Söldner zurückgreifen zu können.

Vor diesem Hintergrund ist daher der Vorstoß der südafrikanischen Regierung, das eigene Söldnerwesen restriktiven Kontrollen zu unterwerfen, bemerkenswert und zu begrüßen. In den 90er Jahren zog sich die Blutspur südafrikanischer Söldner durch die Bürgerkriege des afrikanischen Kontinents. Auch heute noch sind sie auf dem Weltmarkt gefragt.

Seit Ende vergangenen Jahres beschäftigt sich nun das südafrikanische Parlament mit einem Gesetzentwurf der Regierung zur Regulierung des Söldnerwesens. Die Initiative sieht vor, südafrikanische Staatsbürger zu bestrafen, wenn sie sich ohne Genehmigung der Regierung als Angestellte privater Militärfirmen in Konfliktgebieten aufhalten. Nicht nur die direkte Beteiligung an Kampfhandlungen wäre strafbar, sondern auch jegliche Unterstützertätigkeit und Rekrutierungsbemühung. Darüber hinaus würde auch die Erbringung dieser Dienstleistungen im Rahmen der humanitären Hilfe in einem bewaffneten Konflikt unter die Genehmigungspflicht fallen.

Angesichts fehlender international durchsetzungsfähiger Abkommen ist dieser Vorstoß eigentlich eine begrüßenswerte Maßnahme. Trotzdem reagierten die westlichen Länder eher verhalten. In den USA und in Großbritannien wurden sogleich Vorbehalte geäußert. Denn nüchtern betrachtet könnte dieser Gesetzentwurf enorme nachteilige Konsequenzen für diesen weltweit boomenden und militärisch wichtigen Wirtschaftszweig mit etwa 100 Mrd. Dollar Umsatz pro Jahr haben.

Die internationalen Reaktionen auf die südafrikanische Initiative werfen ein grelles Licht auf die dunklen Ecken des weltweiten Kriegsgeschehens. Sie sind ein deutliches Indiz für die wachsende Abhängigkeit sämtlicher Akteure in militärischen Konflikten vom Zukauf privater militärischer Dienstleistungen.

Herausragendes Beispiel für diese Entwicklung sind die USA. Seit den 80er Jahren wurden dort einsatzbezogene Aufgabenbereiche der Streitkräfte privatisiert. Nichtstaatliche Firmen wurden zunehmend betraut mit der Durchführung der militärischen Ausbildung, der logistischen Versorgung und auch mit Kampfeinsätzen im Ausland, wie z.B. in Kolumbien. Im Irak erreicht diese Entwicklung derzeit ihren Höhepunkt.

Es wird davon ausgegangen, dass neben den etwa 140.000 im Irak stationierten US-Soldaten noch einmal 22.000 ausländische Söldner dort aktiv sind. Sie beteiligen sich an Kampfeinsätzen, bedienen Aufklärungsdrohnen oder verhören Gefangene. Söldner stellen de facto die zweitgrößte "Armee" im Irak. Und mehr als 5.500 dieser Söldner sollen südafrikanische Staatsbürger sein. Südafrika wäre damit inoffiziell die drittgrößte Entsendenation. Die US-amerikanische Sorge ist daher verständlich: Tritt das Gesetz in Kraft, wäre die Abreise der Südafrikaner aus dem Irak so gut wie besiegelt.

Die internationale Gemeinschaft verspürt offenbar wenig Bereitschaft, sich grundsätzlich mit der Renaissance des Söldnerwesens auseinander zu setzen. Es geht bestenfalls um die Frage, wie man "Abenteurern" und Rambos das Handwerk legen kann. Die Existenz moderner Militärdienstleister wird jedoch nicht in Frage gestellt.

Selbst die anfangs skeptischen internationalen Organisationen betrachten Söldner angesichts der Zustände in den Hilfsgebieten als attraktive Option, z.B. zum Schutz von Nahrungsmittelkonvois. Im Umfeld der Vereinten Nationen wird immer lauter darüber nachgedacht, Söldnerfirmen an UN-Blauhelm-einsätzen zu beteiligen.

Die internationale Gemeinschaft betreibt ein gefährliches Spiel mit dem Feuer. Denn Söldnerfirmen sind unter den Bedingungen der Marktwirtschaft kaum zu kontrollieren. Sie sind örtlich ungebunden und können jederzeit aufgelöst und unter neuem Namen wieder ins Leben gerufen werden. Viele moderne Söldnerunternehmen sind Teil globaler Schachtelkonstruktionen und verfolgen auch Rohstoffinteressen oder verdienen am Verkauf von Waffen. Kein Staat kann sich daher darauf verlassen, dass sie nur in seinem Interesse agieren.

Aber viel grundsätzlicher geht es hier um den zukünftigen Stellenwert des staatlichen Gewaltmonopols. Eine Frage von höchster Aktualität für die so genannten "failing states" in Afrika, also Staaten, in denen die Regierung de facto die Kontrolle über das Land verloren hat. Dort untergraben Söldner häufig die Bemühungen um die Wiederherstellung des staatlichen Gewaltmonopols.

Auch in den westlichen Staaten gewinnt diese Frage an Bedeutung. Bleibt der Staat als Garant der Sicherheit gegenüber der eigenen Bevölkerung glaubwürdig, wenn er nicht mehr über die finanziellen, personellen und technischen Kapazitäten dafür verfügt?

Erneut lohnt ein Blick in die USA. Nach Abzug der Söldner wäre angesichts der dünnen Personaldecke die militärische Kontrolle des Iraks durch die USA kaum noch möglich. Darüber hinaus hat die Privatisierung ganzer Bereiche der US-Streitkräfte in den letzten 20 Jahren zu einem Verlust von Know how im Militär geführt. Gleichzeitig wurde so eine Konkurrenz herangezüchtet, die sich zunehmend auf die Qualität des Streitkräftepersonals auswirken wird. In Zukunft werden die Söldnerfirmen noch stärker versuchen, ausgebildete Elitesoldaten aus dem aktiven Dienst abzuwerben.

Eine vergleichbare Entwicklung mag derzeit in Europa unrealistisch sein. Trotzdem werden sich die europäischen NATO-Staaten in naher Zukunft auf die Folgen dieser Privatisierung einstellen müssen. Denn jeder gemeinsame Militäreinsatz mit den USA wirft schon jetzt grundsätzliche Fragen auf. Inwieweit beeinträchtigt die Zusammenarbeit mit für die USA tätigen Söldnern die rechtlichen Einsatzgrundlagen und –erfordernisse? Müssen eigene reguläre Soldaten die Söldner von Verbündeten im Gefecht unterstützen oder festnehmen? Welchen Rechtsstatus haben verbündete Söldner? Unterscheidet er sich von dem der "gegnerischen" Dienstleister?

Die Auslagerung militärischer Aufgaben an Unternehmen mag in einigen Fällen effektiv sein. Vor allem aber fördert sie die Aushöhlung des staatlichen Gewaltmonopols und erhöht die Rechtsunsicherheit im Krieg. Die militärischen Dienstleister sind auf dem besten Weg, sich durch ihre Duldung auf den Kriegsschauplätzen in Afghanistan und im Irak einen quasi völkerrechtlichen Kombattantenstatus zu erschleichen.

Eine solche Zunahme der Gewaltakteure auf den Kriegsschauplätzen kann nicht im Interesse der Staatengemeinschaft sein. Die europäischen Regierungen wären gut beraten, den südafrikanischen Gesetzesentwurf aufzugreifen und auf ähnliche Art und Weise den privaten Militärdienstleistern ihr Kriegsgeschäft zu erschweren.