US-Atomwaffen - Weniger Sprengkraft, dafür flexibel einsetzbar
von Otfried Nassauer
Der Führungsstil von US-Präsident Donald Trump wird oft als
autokratisch, sprunghaft oder gar erratisch kritisiert. Auf ein Thema
trifft das jedoch nicht zu. Trump setzt auf militärische
Stärke und die konkurrenzlose Überlegenheit der USA bei
nuklearen Waffen. Die wichtigsten Konkurrenten sind für ihn
Russland und China. In seiner ersten Rede an die Nation
im Januar 2018 kündige Trump die Modernisierung des
Nukleararsenals an. “Wir müssen es hoffentlich nie
einsetzen, aber so stark und mächtig machen, dass es jeden Akt der
Aggression abschreckt. “Der US-Präsident bekräftigte,
dass "Schwäche der sicherste Weg in den Konflikt ist, während
konkurrenzlose Überlegenheit das sicherste Mittel unserer
Verteidigung ist".
USA setzen auf Überlegenheit
Wenige Tage zuvor hatte seine Regierung eine neue Nationale Verteidigungsstrategie
veröffentlicht. Deren Zielsetzung fasste das
US-Verteidigungsministerium in zwei Punkten zusammenfasst. Es gelte "1.
den Wettbewerbsvorsprung Amerikas wiederherzustellen indem die globalen
Rivalen China und Russland daran gehindert werden, die USA und ihre
Verbündeten herauszufordern [und] 2. diese Rivalen davon
abzuhalten, die gegenwärtige internationale Ordnung aus der
Balance zu bringen". Das vom damaligen Verteidigungsminister Jim Mattis
unterzeichnete Dokument enthält darüber hinaus einen
programmatischen Satz zur Zukunft des Atomwaffenarsenals der USA. Es
heißt dort wörtlich:
„Das
Ministerium wird die nukleare Triade modernisieren –
einschließlich der nuklearen Befehls- Kontroll- und
Führungssysteme und der unterstützenden Infrastruktur. Die
Modernisierung der nuklearen Streitkräfte wird auch die
Entwicklung von Optionen beinhalten, um erpresserischen Strategien
eines Konkurrenten entgegenzutreten, die auf dem angedrohten Einsatz
nuklearer oder strategisch nichtnuklearer Angriffe beruhen.“
Russische Militärdoktrin als Begründung
Mit den „erpresserischen Strategien“ wird auf eine
konservative US-amerikanische Lesart der russischen Militärdoktrin
Bezug genommen. Diese besagt, Russland plane einen Ersteinsatz mit
kleinen taktisch-atomaren Waffen - zum Beispiel im Baltikum. Der solle
die westlichen Gegner Moskaus vor die Wahl stellen, entweder mit
großen, strategischen Atomwaffen zu antworten oder auf einen
Gegenschlag zu verzichten. Verzichte der Westen, so müsse er
Russland seinen politischen Willen lassen, also einer Erpressung
nachgeben. „Eskalieren um zu de-eskalieren“ wird diese
Lesart genannt.
Maßgeschneiderte Abschreckung als Ziel
Stategische B-2-Bomber sind Trägersysteme für Atomwaffen.
Die Rückkehr der „Rivalität der
Großmächte“ als Narrativ der politischen Agenda Trumps
fand ihre Fortsetzung in dem Grundlagendokument zur künftigen
Nuklearwaffenpolitik der USA, dem Nuclear Posture Review,
das einen Monat später, im Februar 2018, veröffentlicht
wurde. Es beinhaltet das Konzept einer auf mögliche
Kontrahenten der USA zu- und maßgeschneiderten nuklearen
Abschreckung – vor allem der rivalisierenden
Großmächte Russland und China. Sie hervorzuheben bietet die
beste Rechtfertigung für eine umfassende Modernisierung der
US-Nuklearstreitkräfte. Mit dem Nuclear Posture Review
kündigte Trump an, alle nuklearen Modernisierungsvorhaben seines
Vorgängers Obama weiterzuführen und dessen Pläne zur
Außerdienststellung älterer Nuklearwaffen zu verlangsamen.
Darüber hinaus sieht das Dokument vor, sich von Obamas Vorgabe zu
verabschieden, keine neuen Atomwaffen und keine Atomwaffen mit neuen
Fähigkeiten mehr einzuführen.
Neue Sprengköpfe für Trägersysteme
Angekündigt wurde
dagegen von der neuen US-Regierung die Einführung von
U-Boot-gestützten Langstreckenraketen mit nur einem nuklearen
Gefechtskopf kleiner Sprengkraft, der den USA eine zusätzliche
Handlungsoption gegen den befürchteten russischen Ersteinsatz
taktischer Atomwaffen in erpresserischer Absicht geben soll. Zudem
sieht das Dokument vor, seegestützte atomare Marschflugkörper
wieder einzuführen und auch in Zukunft bei see- und
landgestützte Langstreckenraketen auf unterschiedliche
Sprengkopfmodelle zu setzen. Der Nuclear Posture Review sieht also im
Kern vor, mehr leistungsfähigere sowie flexibler nutzbare
Sprengkopftypen einzuplanen als dies noch unter Obama geplant war.
Modernisierung dauert an
Das Atom-Boot USS Tennessee ist bereits mit neuen Nukleargefechtsköpfen ausgerüstet worden.
2018 und 2019 wurde bereits ein Schritt realisiert. Erste
Sprengköpfe für U-Boot-Raketen wurden so umgebaut, dass sie
nicht mehr mit 100 Kilotonnen Sprengkraft explodieren, sondern nur noch
mit weniger als 10 Kilotonnen.
Von den zwei atomaren Sprengsätzen, die ein solcher Sprengkopf
gewöhnlich enthält, soll nur noch der kleinere gezündet
werden. Das ließ sich einfach, schnell und mit weniger als 100
Mio. Dollar sowie ohne große Diskussion im Kongress realisieren.
Bereits um den Jahreswechsel 2019/2020 stach mit der USS Tennessee das
erste U-Boot mit modifizierten Sprengköpfen vom Typ W76-2 in See.
15 Milliarden Dollar für 2021
Im Haushaltsentwurf
für 2021 werden jetzt weitere Pflöcke eingeschlagen. Im
nächsten Jahr sollen die Mittel für die Wartung und
Modernisierung atomarer Sprengköpfe erneut deutlich um 25 Prozent
steigen - auf rund 15,6 Mrd. Dollar. Mehr Geld soll es vor allem
für die Modernisierung vorhandener Sprengköpfe und die
Entwicklung künftiger Gefechtsköpfe geben. Also zum Beispiel
für die B61-12-Atombombe, die auch in Europa gelagert werden soll
oder für eine neue Sprengkopfversion für luftgestützte
Marschflugkörper. Erste Finanzmittel eingeplant hat die
Trump-Administration allerdings auch für Arbeiten an einem
neuen Sprengkopf mit der Bezeichnung W93 Mark7 für U-Boot-Raketen.
Einen Sprengkopf mit der Bezeichnung W93 gibt es bislang ebenso wenig
wie einen Wiedereintrittsflugkörper Mark7. Beide sollen wohl neu
entwickelt werden. Zusätzlich soll der Sprengkopf so ausgelegt
werden, dass man aus ihm neue Varianten ableiten kann.
Zahl der Atomwaffen wird nicht steigen
Der künftige B-21-Bomber soll einmal die B-2-Maschinen ersetzen.
Fehl ginge jedoch die Annahme, die Trump-Administration plane
parallel zu der angedachten umfangreichen technischen
Modernisierung atomarer Sprengköpfe auch eine massive quantitative
Ausweitung des Nuklearwaffenpotentials der USA. Das zeigt der Blick auf
die geplanten Gelder zur Modernisierung der Trägersysteme. Die
Mittel dafür sollen 2021 nicht wesentlich steigen. Mehr noch: Die
US-Regierung will der US-Marine aufgegeben, die neuen Raketen-U-Boote
der Columbus-Klasse ohne Aufstockung ihres Schiffbauetats zu
finanzieren. Auch die Luftwaffe soll offenbar für ihre neuen
B-21-Bomber und Interkontinentalraketen keine zusätzlichen
Haushaltsmittel bekommen. Donald Trump und seine Administration setzen
offenbar vor allem auf qualitative Aufrüstung und technische
Innovation im nuklearen Bereich. Atomwaffen sollen zielgenauer werden,
weniger Sprengkraft benötigen und flexibler einsetzbar sein.
Abschreckungsfähigkeiten werden von der US- Administration vor
allem dann als glaubwürdig und wirksam betrachtet, wenn man in
einer Krise und im Krieg glaubwürdig mit deren tatsächlichen
Einsatz drohen kann.
Schlagabtausch mit kleinen Nuklearwaffen?
Dieses Denken spiegelt sich auch in der Teilstreitkraft-übergreifenden Vorschrift über "Nukleare Operationen"
wider, die im vergangenen Jahr in Kraft getreten ist. Eine Vorschrift
zu diesem Thema wurde seit 2005 nicht mehr für notwendig gehalten.
Zuletzt war ein solches Dokument 1995 in Kraft gesetzt worden. Das
Denken in kleinen, tatsächlich durchführbaren
Nuklearoperationen begrenzter Art steht auch hinter konkreten
Waffen-Entwicklungen wie zum Beispiel dem neuen Sprengkopf W76-2
für die U-Boot-Raketen vom Typ Trident D II. Das ist hoch riskant
und ein Spiel mit dem Feuer. Würde eine solche Waffe je
abgefeuert, so könnte Russland bis kurz vor oder gar bis zu deren
Einschlag kaum sagen, ob es mit einem kleinen Nuklearsprengkopf oder
mit bis zu acht großen Atomsprengköpfen angegriffen wird.
Bei einer Anhörung
im US-Senat fragte die US-Senatorin Debbie Fischer den
US-Oberbefehlshaber für Europa, Tod Wolters, ob ein Verzicht auf
die Option eines nuklearen Ersteinsatzes aus seiner Sicht ein
denkbarer Schritt sei. Der US-General verneinte. Er sei ein
Anhänger des flexiblen nuklearen Ersteinsatzes.
ist
freier Journalist und leitet das Berliner Informationszentrum
für Transatlantische Sicherheit - BITS
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