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Mai 2020
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Der Tornado – ein deutscher Nuklearwaffenträger

von Otfried Nassauer


Die Bundesrepublik Deutschland stellt für die Nukleare Teilhabe der NATO seit Jahrzehnten Kampfflugzeuge als Trägersysteme für US-Atomwaffen bereit. Noch im Jahr 2010 wurden bis zu 46 Tornados in abgestufter Bereitschaft für den Einsatz nuklearer Waffen vorgehalten, also mehr als doppelt so viele wie für die damals in Deutschland gelagerten Atomwaffen erforderlich.[ 1 ] Denn zugleich lagerten nur maximal 20 Atombomben der Typen B61-3 und B61-4 für diese Aufgabe am Standort des Taktischen Luftwaffengeschwaders 33 in Büchel in der Eifel. Diese wurden in der zweiten Jahreshälfte 2019 offenbar noch einmal einer Modernisierung ihrer Nutzungs- und Einsatzkontrollsysteme unterzogen, die dazu dienen, unautorisierte Einsätze oder technische Manipulationen der Waffen zu unterbinden.[ 2

In einigen Jahren ist deren Ablösung durch ein neues Modell, die B61-12, geplant, die als Lenkwaffe ausgelegt ist und deshalb deutlich zielgenauer und für militärische Zwecke besser nutzbar sein soll.[ 3 ] Wann genau die neue Version stationiert wird, ist noch unklar, da deren Serienfertigung nicht, wie zuletzt vorgesehen im März 2020, sondern nur mit deutlicher Verzögerung von einem Jahr oder mehr beginnen kann. Ein Bauteil garantierte nicht die erforderliche Lebensdauer von 20 Jahren. Dafür muss erst Ersatz entwickelt werden. Auch das für die Stationierung in Europa wichtigste Trägerflugzeug für diese Waffe, die US-amerikanische F35A Lightning II, der sog. Joint Strike Fighter, verzögert sich in seiner als Atomwaffenträger zertifizierten Variante, der F-35 Block IV, um Jahre. Alle anderen europäischen Nationen, die Trägerflugzeuge für US-Nuklearwaffen bereit stellen, planen mit diesem Modell. Nur Deutschland nicht. 

Doch zunächst ein Blick zurück: Während des Gipfels von Chicago beschloss die NATO 2012, an der Stationierung von etwa 150-180 nuklearen US-Bomben in Europa bis auf Weiteres festzuhalten.[ 4 ] Damit befürwortete sie indirekt auch die Absicht Washingtons, die bislang stationierten Waffen der Modelle B61-3 und B61-4 künftig durch eine neue Version der B61-Bombe, die B61-12, zu ersetzen. Im zeitlichen Umfeld der Stationierung der neuen Bombe soll auch eine Modernisierung der Trägerflugzeuge erfolgen – auch in Deutschland. Die jüngsten deutschen Tornados beispielsweise sind derzeit bereits fast 30 Jahre alt, die ältesten fast 40. 

Nach Jahren des Überlegens und Planens haben Luftwaffe und Verteidigungsministerium im April 2020 deutlich gemacht, dass sie gerne die Gunst des Augenblicks nutzen und  in mehreren Schritten einen Mix von bis zu 138 neuen Kampfflugzeugen bestellen würden, zu denen u.a. 30 F/A 18-F Block III Super-Hornet von Boeing gehören sollen, die künftig die Aufgabe der Nukleare Teilhabe übernehmen sollen. Im einem Paket mit Stützmaßnahmen zur Stärkung der deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie soll auch die Beteiligung an der Nuklearen Teilhabe für die nächsten Jahrzehnte festgeschrieben werden.


Der Tornado und seine Bewaffnung

Der Tornado ist ein zweimotoriger, zweisitziger allwetterfähiger Jagdbomber mit Schwenkflügeltechnik, der für den Tiefflug optimiert wurde. Der Gefechtsradius mit standardisierter Beladung und einem ebensolchen Flugprofil wird mit etwa 1.350 Kilometer angegeben.[ 5 ] Bei 14 Tonnen Leergewicht kann das Flugzeug auch mit einem Gesamtgewicht von mehr als 28 Tonnen noch abheben, also große Mengen an Munition und Treibstoff mitführen. In größeren Höhen erreicht der Tornado mehr als doppelte Schallgeschwindigkeit, im Tiefflug oder in Meereshöhe ist er zwar deutlich langsamer, aber immer noch deutlich schneller als der Schall. Der Tornado verfügt über ein Geländefolgeflugsystem, mit dessen Hilfe das Flugzug auch noch in 60 Meter Höhe per Autopilot geflogen werden kann. Im Tiefstflug, also bei Flügen in "Baumwipfelhöhe", rund 30 Metern oder weniger über dem Erdboden, muss der Pilot allerdings selbst zum Steuerknüppel greifen.[ 6 ]

Die Besatzung besteht aus einem Piloten und einem Waffensystemoffizier. Neben Luftabwehrraketen zum Selbstschutz beim Luftkampf gibt es eine Vielzahl von Bewaffnungsmöglichkeiten. Dazu gehören bei der Bundeswehr ungelenkte und gelenkte Bomben, lasergelenkte und GPS-unterstützte Präzisionswaffen, schwere Taurus-Marschflugkörper großer Reichweite mit konventionellem Sprengkopf, HARM-Raketen zur Bekämpfung von Flugabwehrstellungen am Boden, Kormoran-Raketen zur Bekämpfung von Schiffszielen und die 27mm-Bordkanonen.[ 7 ] Außerdem kann das Flugzeug auch nukleare Bomben vom Typ B61-3 und B61-4 tragen, die den USA gehören und eine variable Sprengkraft von bis zu 170 bzw. 50 Kilotonnen haben.


Die Tornados der Bundeswehr

In den Jahren 1981/82 bis 1992 beschaffte die Bundeswehr insgesamt 357 Jagdbomber des Typs Panavia 200 „Tornado“ für etwas mehr als 30 Mrd. DM.[ 8 ] Die ersten 332 Flugzeuge waren Tornado IDS (Interdiction/Strike), die für den konventionellen und nuklearen Angriff auf Bodenziele sowie für die Aufklärung (Recce) vorgesehen waren. Im Anschluss wurden weitere 35 Flugzeuge des Musters ECR (Electronic Combat Reconnaissance) mit einer besonderen Befähigung zur Aufklärung und Bekämpfung der gegnerischen Luftabwehr beschafft. Der Bestand bei der Bundeswehr wurde im Verlauf der langjährigen Nutzung auf zunächst 185 Flugzeuge abgesenkt und später bis 2015 weiter auf 93 (85 + 8) Flugzeuge reduziert.[ 9

Ursprünglich wurden mit dem Tornado zwei Marinefliegergeschwader und sechs Luftwaffengeschwader ausgerüstet. Drei der Luftwaffengeschwader (Memmingen, Nörvenich und Büchel) behielten auch nach dem Kalten Krieg zunächst noch eine nukleare Aufgabe. 

Heute befinden sich alle Tornados bei zwei Geschwadern der Luftwaffe in Büchel und in Jagel. In Jagel nimmt das Aufklärungsgeschwader 51 „Immelmann“ mit einer fliegenden Staffel die bemannte fliegende Aufklärung und die Bekämpfung von Seezielen wahr. Dazu dienten zunächst 25 Tornados. 2017 kamen weitere 14 Luftfahrzeuge hinzu, die zuvor zur Piloten-Ausbildung auf der Holloman Air Force Base in den USA untergebracht waren. Die Aufgabe kam mit ihnen nach Jagel. 

Die restlichen Tornados werden in zwei Staffeln beim Taktischen Luftwaffengeschwader 33 in Büchel eingesetzt, das die Aufgaben Luftnahunterstützung, Abriegelung aus der Luft und der nuklearen Teilhabe wahrnimmt.[ 10 ] So war es für Büchel bereits im „Realisierungsplan für die Einnahme der Luftwaffenstruktur“ aus dem Juni 2012 vorgesehen. Dort hieß es: „Das JaboG 33 am St[and]O[rt] Büchel wird zum 01.04.2013 umgegliedert und nimmt mit zwei Fliegenden Staffeln seinen  Auftrag (Nukleare Teilhabe/ konventioneller Luftangriff) mit ungelenkter Bewaffnung, Präzisionsbewaffnung (GBU-24, GBU 54) und Abstandsbewaffnung (MAW TAURUS) wahr. Zum 01.10.2013 wird das JaboG 33 in Takt[isches] L[uft]w[affen]G[eschwader] 33 umbenannt.“[ 11

Da der Luftwaffe über die Zeit auch immer mehr nicht-nuklearfähige Eurofighter der Tranchen 2 und 3a zur Bekämpfung von Bodenzielen zur Verfügung standen, konnte die Aufgabe der Tornados in Büchel sukzessive stärker auf den Einsatz schwerer Luft-Boden-Waffen konzentriert werden (GBU-24, Taurus, Nuklearwaffen).[ 12 ] Der Eurofighter konnte einen Teil der Aufgabe Luftnahunterstützung übernehmen. 

Beide Geschwader verfügen über Tornado ECR für die Aufgabe der Unterdrückung der gegnerischen Luftverteidigung (SEAD). Tornados aus Büchel können zudem bei längeren Baumaßnahmen auf ihrem eigenen Flugplatz auch ins nahe Nörvenich ausweichen. Dort sind zwar mittlerweile nicht-nuklearfähige Eurofighter stationiert, aber die technische Infrastruktur zur Lagerung atomarer Waffen ist noch vorhanden und könnte im Bedarfsfall theoretisch auch reaktiviert werden.[ 13

Insgesamt 65 IDS-Versionen und 20 ECR-Tornados werden noch im Dienst gehalten. All diese Flugzeuge wurden sukzessive bis 2019 auf eine moderne Avioniksoftware des Standards ASSTA 3 und ASSTA 3.1 umgerüstet und können noch weiter nachgerüstet werden. 


Die Diskussion über die Nutzungsdauer des Tornados

Da die NATO 2012 beschloss, die „Daueraufgabe“ Nukleare Teilhabe beizubehalten, stellte sich verstärkt die Frage, wie lange der Tornado noch in Dienst gehalten werden kann und soll. Die Antwort auf diese Frage erwies sich immer wieder als ein „bewegliches“ Ziel politischer Opportunität. Das zeigen nicht zuletzt die folgenden Beispiele.

2008 antwortete die Bundesregierung auf eine Anfrage der Grünen: „Die  Bundeswehr plant das Waffensystem TORNADO zumindest bis 2020 im Dienst zu behalten.“[ 14 ] Dass „zumindest bis“ auch „darüber hinaus“ heißen konnte, bestätigte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums am 6. Oktober 2010: „Die Nutzung des Waffensystems Tornado ist über das Jahr 2020 hinaus vorgesehen. Der Zeitpunkt der endgültigen Außerdienststellung ist noch nicht festgelegt.“[ 15 ] Im Oktober 2011 begann das Spiel mit Worten und Jahreszahlen erneut: „Das Waffensystem Tornado wird bis voraussichtlich 2025 in den Einsatzrollen Luftangriff mit Schwerpunkt Luftnahunterstützung, luftgestützte bemannte Aufklärung, Niederhalten der gegnerischen bodengebundenen Luftverteidigung, Seekriegführung aus der Luft und als Trägerplattform für die Nukleare Teilhabe eingesetzt. (...) Derzeit gibt es keine Überlegungen, das Waffensystem Tornado über 2025 hinaus zu betreiben“, schrieb das Verteidigungsministerium.[ 16 ] Ein knappes Jahr später erläuterte BMVg-Sprecher Christian Dienst am 3.9.2012 in der Regierungspressekonferenz: „Also es ist so, dass das Waffensystem Tornado, das auch - ich betone: auch - die Rolle hat, als nuklearwaffenfähiges Trägersystem zu fungieren (...) nach jetziger Planung hinaus in der Bundeswehr in Nutzung zu halten sein wird - egal mit wie über das Jahr 2025 vielen“ der ihm zugedachten Rollen.[ 17 ] Das bestätigte kurz darauf auch die politische Führung des BMVg. Der Parlamentarische Staatssekretär Christian Schmidt antwortete am 26.September 2012 auf Fragen des Abgeordneten Paul Schäfer: „Als Träger der nuklearen Teilhabe ist das Waffensystem Tornado in der Version Interdiction-Strike (IDS) geeignet. (...) Die Nutzung des Waffensystems Tornado ist in reduzierter Stückzahl über das Jahr 2025 hinaus geplant.“[ 18 ] Bald wurde klar: Die Luftwaffe untersuchte, was getan werden müsse, damit der Tornado länger im Dienst gehalten werden könne. Im Laufe des Jahres 2016 sollte darüber entschieden werden, ob der Tornado bis „Mitte der dreißiger Jahre“ in Dienst gehalten werden kann.[ 19 ]

Die Restlebensdauer der noch vorhandenen Tornado-Flugzeuge ist beeinflussbar. Die Luftwaffe kann die  Nutzungsdauer selbst steuern. Zelle und Triebwerk haben eine garantierte Mindestlebensdauer von 8.000 respektive 7.500 Flugstunden, die bei allen 85 Luftfahrzeugen, die im Dienst gehalten werden, bei weitem noch nicht erreicht ist. Erst 2011 überschritt der erste 29 Jahre alte Tornado, die Zahl von 5.000 geleisteten Flugstunden. Eine Übersicht über die bisher abgeflogenen Flugstunden jener 85 Tornados, die die Bundeswehr weiter in Dienst halten wollte, zeigte 2013, dass viele dieser Maschinen erst 3.500-4.500 Stunden in der Luft waren, nur wenige mehr als 5.000 Stunden und einige deutlich weniger.[ 20 ] Eine aktuellere Übersicht wurde 2019 erstellt, aber unter Verschluss gehalten.[ 21 ]

Steuerungsmöglichkeiten bieten sich der Luftwaffe z.B. auch im Blick auf die Nutzung der einzelnen Flugzeuge. Von 2012-2017 wollte die Luftwaffe ihre Tornado-Flotte pro Jahr insgesamt für rund 11.500 bis 13.310 Flugstunden einsetzen. Auf jedes Flugzeug entfielen in diesem Zeitraum somit rein rechnerisch zwischen 135 und 157 Flugstunden im Jahr. Bei einer so geringen jährlichen Nutzung kommt das Jahr 2035 leicht in Reichweite.[ 22

Hinzu kam, dass die Luftwaffe in den Jahren 2012-2015 noch deutlich mehr als 85  Tornados besaß und somit so manche der geplanten Flugstunden auch noch auf Maschinen fliegen konnte, die später ausgemustert werden sollten. Sie konnte also die für eine Umrüstung auf ASSTA 3 vorgesehenen 85 Maschinen theoretisch schonen und damit die Lebensdauer ihrer verbleibenden Flotte verlängern. Eine ähnlich Wirkung konnte auch erreicht werden, wenn Piloten z.B. aus Kostengründen oder aufgrund verlängerter Wartungs- und Modernisierungszeiten bei der Industrie nur weniger Flugstunden pro Jahr zugebilligt wurden als nominell vorgesehen. 2016 untersuchte auch die Luftwaffe selbst, ob durch „eine Streckung vorhandener Flugstundenressourcen bzw. eine Nutzungsdauerverlängerung für das Waffensystem bis in die Mitte der dreißiger Jahre“ unterstützt werden könne.[ 23 ] Im Sommer 2016 stimmte die Luftwaffe schließlich „einer möglichen Verlängerung der Nutzung bis voraussichtlich 2035“ zu und berichtete: „Die Maßnahmen zur Umsetzung werden derzeit ausgeplant.“[ 24 ] Dies geschah bereits in Kenntnis der Tatsache, dass Großbritannien sich im gleichen Jahr entschieden hatte, seine verbliebenen Tornados 2019 außer Dienst zu stellen und somit künftig als Partner trilateraler Modernisierungsmaßnahmen wegfallen werde. Im Dezember 2019 war „eine Entscheidung bezüglich der Überprüfung des Nutzungsdauerendes, im Kontext einer Nachfolgeplanung (...) noch zu treffen.(..) Nach gegenwärtiger Planung soll eine Entscheidung über die TORNADO-Nachfolge in dieser Legislaturperiode erfolgen.“ Mit der Aussicht auf ein Nachfolgemuster im Rücken begann man wieder aufs Tempo zu drücken und ein Nutzungsdauerende „spätestens 2035“ ins Auge zu fassen und zugleich auf steigende Kosten für die Material- und Kampfwerterhaltung zu verweisen. Diese wurden auf 4,4 Mio. € pro Flugzeug und Jahr allein in den nächsten fünf Jahren beziffert und zugleich auf ein wachsendes Risiko von Obsoleszenzen in den Jahren nach 2025 verwiesen.[ 25 ] Seit kurzem heißt es auf der Internetseite des BMVg sogar wieder: „Spätestens mit dem Jahr 2030 endet die Nutzungszeit des Kampfflugzeugs Tornado.“ Dann, so Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer, sei der Tornado „nicht mehr wirtschaftlich und nicht mehr sicher zu betreiben“.[ 26 ]

Eine prinzipiell denkbare Verlängerung der Nutzungsdauer des Tornados wie sie durch eine intelligente Nutzung noch vorhandener Flugstundenressourcen für eine kleine Teilflotte für die Nukleare Teilhabe noch möglich erschien, wird  offenbar ausgeschlossen, seit wieder eine Aussicht auf Investitionen in neue Flugzeuge besteht. Sie könnte aber dennoch wieder In den Blick geraten, wenn – wie nicht ausgeschlossen - zeitliche Probleme bei der Beschaffung eines Tornado-Nachfolgers auftreten.


Tornado-Modernisierungen und die Nuklearwaffen

Die 85 Tornado-Flugzeuge, die die Bundeswehr in Dienst hält, wurden alle modernisiert. Die ersten modernisierten Tornados bekam die Luftwaffe am 15.8.2012.[ 27 ] Die Aufrüstung auf die Software „Avionic System Software for Tornado in Ada 3“ (ASSTA 3 bzw. 3.1) sollte ursprünglich bis 2017 implementiert werden; es dauerte aber letztlich bis 2019. Damit einher gingen u.a.Vorhaben für eine Verbesserung der Kommunikationssysteme, der Datenanbindung (Link 16), der Kampfwerterhaltung der Störsysteme, der Verbesserung der Nachtsichtfähigkeit und der Cockpit-Displays sowie der Integration der lasergesteuerten allwetterfähigen Bombe vom Typ GBU-54(V)3 (LJDAM) zur Bekämpfung beweglicher Ziele mit Lenkwaffen. Weitere Maßnahmen sind geplant oder bereits in Umsetzung. Unter anderem geht es um den Einbau neuer Kryptogeräte für die verschlüsselte Kommunikation, den Austausch des Head-Up-Displays, das digitalisiert werden soll und derzeit noch mit Röhrentechnik betrieben wird, einen neuen Hauptcomputer und die Umstellung der Freund-Feind-Kennung auf einen neuen Standard. Zudem wird eine weitere Avionik-Software-Version (ASSTA 4, 4.1) vorbereitet. Im Kontext der Integration und Beschaffung der AGM88E Anti-Radar-Flugkörper scheint zudem ein weiteres Software-Upgrade (ASSTA 4.2) ins Auge gefasst worden zu sein.[ 28 ]

Maßnahmen, die spezifisch der Integration der modernisierten Nuklearwaffe vom Typ B61-12 dienen, sind das alles nicht. In den deutschen Programmen von BMVg und Industrie sind derzeit keine Vorhaben zu diesem Zweck bekannt.[ 29 ]

Allerdings laufen solche Arbeiten in den USA. Im 3.Quartal des Haushaltsjahres 2015, also im 2.Quartal des Kalenderjahres 2015, sollte in den USA mit dem Vorhaben der Integration und Zertifizierung der B61-12 für den Tornado begonnen werden. US-Haushaltsplanungsdokumenten zufolge sollten diese zunächst für das Tailkit der B61-12 bis 2017, später bis 2020 abgeschlossen werden.[ 30 ] Unklar ist, ob sie inzwischen abgeschlossen werden konnten, da die Serienfertigung der neuen Bombe sich verzögerte und bisher noch nicht aufgenommen werden konnte.

Die B61-12 muss an all ihre künftigen Trägerflugzeuge individuell angepasst werden. Dafür müssen z.B. Trag- und Flugversuche durchgeführt werden und es muss z.B. eine funktionierende Interface Control Unit (ICU) – ein Verbindungsmodul zwischen Bombe und Flugzeug – eingepasst und getestet werden. Diese soll u.a. garantieren, dass auch ältere, nicht vollständig digitalisierte Flugzeuge mit der neuen, vollständig digitalen Bombe kompatibel sind und eine korrekte Übertragung aller notwendigen Daten für deren Einsatz aus dem Flugzeug in die Bombe gewährleistet werden kann.[ 31 ] Dies ist für das sogenannte Prearming der Bombe unbedingt erforderlich. Ohne diese Daten ist die Waffe nicht funktionsfähig.

Dies zu bewerkstelligen und zu überprüfen ist Aufgabe der Nuklearmacht USA. Dazu werden Versuchsflüge mit dem Tornado und nicht explosionsfähigen Versionen der B61-12 in den USA durchgeführt. Die Flugzeuge dafür muss die Bundeswehr bereitstellen. Darüber pflegt sie Stillschweigen.


Der Standort Büchel

Um den Tornado oder einen Nachfolger langfristig in Büchel mit einer geeigneten Infrastruktur betreiben zu können, müssen Investitionen getätigt werden. Je nach Quelle werden planerische Kosten für die kommenden Jahre von 120 Mio. € oder auch 150 Mio.€ genannt. Im Zentrum der bisher geplanten Maßnahmen steht eine Grundsanierung der Start- und Landbahn und deren Ausstattung mit einem modernen Instrumentenlandesystem. Zudem ist der Bau einer neuen, mit Bewegungsmeldern versehenen, äußeren Umzäunung des Fliegerhorstes im Gang, der noch 2020 oder spätestens 2021 abgeschlossen werden soll. Die Maßnahme soll u.a. das Eindringen von Demonstranten erschweren.[ 32 ] Außerdem sollen Werkstattgebäude erneuert und in die Modernisierung von Unterkünften investiert werden. Diese deutscherseits geplanten Maßnahmen haben bislang weder direkt mit der Stationierung der B61-12 noch mit Investitionen in die für einen Tornado-Nachfolger erforderliche Infrastruktur zu tun.

An anderen Atomwaffenstandorten in Europa gibt es dagegen bereits weitergehende Maßnahmen. In der Türkei und auf dem US-Stützpunkt Aviano in Norditalien haben die USA die Flugzeugshelter, in die Unterflurmagazine für die Lagerung nuklearer Waffen eingebaut sind, mit einer zusätzlichen, eigenen Sicherungsanlage innerhalb des Flugplatzgeländes umgeben. Die Schutzbauten wurden nochmals eingezäunt und die Sicherungsanlage mit einer Beleuchtungsanlage versehen.[ 33 ] Ob eine solche Zusatzsicherung auch für Büchel künftig geplant ist, ist noch unbekannt. Solche Baumaßnahmen führen die USA gelegentlich zunächst aus Eigenmitteln durch und lassen sich die Kosten später durch die NATO erstatten. In anderen Fällen werden sie gleich aus dem NATO-Budget finanziert.  



Die Tornado-Nachfolge

„Nach gegenwärtiger Planung soll eine Entscheidung über die TORNADO-Nachfolge in dieser Legislaturperiode erfolgen“, teilte das Verteidigungsministerium Fragestellern der LINKEN im September 2019 mit.[ 34 ] Diese Aussage ging über die politischen Vereinbarungen des Koalitionsvertrages für die laufende Legislaturperiode hinaus und war offenbar auch nicht ganz zutreffend. Korrekter wäre gewesen: Das BMVg will in dieser Legislaturperiode hausintern über die Tornado-Nachfolge entscheiden und damit ein Präjudiz für die politische Entscheidung einer künftig zu bildenden neuen Regierung schaffen. 

Mit Stand April 2020 beabsichtigt das Verteidigungsministerium, die Nachfolge für ihre 85 Tornados mit einer milliardenschweren und industriepolitisch motivierten Initiative zur Förderung der  deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie verbinden. Insgesamt sollen bis zu 138 neue Kampfflugzeuge von zwei Herstellern aus den USA und Europa beschafft werden. In diesem Kontext sollen auch 30 Flugzeuge vom Typ F/A 18 F „Super Hornet“ für die Nukleare Teilhabe von der Firma Boeing angeschafft werden. Angestrebt wird:

  • noch 2020 eine weitere Tranche im Umfang von 38 Eurofightern der aktuellen Tranche 3 verbindlich zu bestellen, die als Ersatz für 33 Eurofiighter der Tranche 1 sowie abgestürzte Flugzeuge fungieren sollen,
  • in der nächsten Legislatiperiode 40 Eurofighter als Teilersatz für die Tornados zu bestellen und
  • 2022, eher 2023, insgesamt 45 Flugzeuge des modernsten Modells der F-18 von Boeing zu kaufen, von denen 30 Luftfahrzeuge als Jagdbomber des Typs F/A18-F Block III und 15 Exemplare für die Elektronische Kampfführung als E/A 18 Growler Block II ausgelegt sein sollen, sowie
  • sich zusätzlich eine Option auf den Kauf von weiteren 15 Eurofightern in einer künftigen ECR-Version vertraglich zu sichern.[ 35 ]

Insgesamt umfasst das Paket 138 Kampfflugzeuge, hat also in etwa die Größe der heutigen Eurofighter-Flotte der Luftwaffe. Konzipiert und öffentlich beworben wird dieses Vorhaben als „Brückenlösung“ für die Zeit, in der die nächste Generation europäischer Kampfflugzeuge, das Next Generation Weapon System (NGWS) als Teil des französisch-deutschen Vorhabens FCAS (Future Combat Air System) noch nicht verfügbar ist. Wenn keine weiteren Verzögerungen einträten, wäre dies der Zeitraum bis etwa 2040.[ 36 ]

Bezweckt wird damit auch Folgendes: Die Eurofighter-Hersteller um Airbus sollen möglichst noch in diesem Jahr die Gewissheit erhalten, dass ihre Endmontagelinie in Manching durch einen neuen Auftrag weiter ausgelastet wird. 2019 wurden die letzten der bislang bestellten 143 Flugzeuge abgeliefert. Die Bestellung neuer Flugzeuge sichert zugleich die Weiterentwicklung des Eurofighters für künftige Modernisierungen und technische Upgrades ab. 

Die Bestellung bei Boeing soll dagegen dafür sorgen, dass die Bundeswehr ihre der NATO zugesagten Fähigkeiten zur Bekämpfung der gegnerischen Luftabwehr und Elektronischen Kriegführung sowie zur weiteren Beteiligung an der nuklearen Teilhabe bruchlos weiter bereitstellen kann kann.[ 37 ] Beides wird aber bei einem Abschluss des Kaufvertrages im Jahr 2023 kaum schon 2025 mit einem neuen Flugzeug möglich sein, sondern wahrscheinlich erst einige Jahre später.

Zeitlichen Vorrang dürfte aus Sicht der Luftwaffe dabei die Beschaffung der E/A-18 Growler haben, da es besonders teuer wäre, den Tornado ECR so weit nachzurüsten, dass er den erwarteten Bedrohungsspektren in seinem Aufgabengebiet noch lange über 2025 hinaus gerecht würde. Werden die dem Baujahr nach etwas jüngeren ECR-Flugzeuge dagegen zuerst ausgephast, so kann man aus ihnen wahrscheinlich noch Ersatzteile für den Weiterbetrieb der anderen Tornados gewinnen.


Der Nachfolger – die F-18 F Super Hornet Block III

Das BMVg ließ zunächst vier Alternativen für einen Tornado-Nachfolger untersuchen - drei aus den USA und eine europäische Lösung:

  1. Einen nuklear zertifizierten Eurofighter,
  2. den Joint Strike Fighter, für den sich alle anderen europäischen Länder entschieden hatten, die an der Nuklearen Teilhabe mit Trägerflugzeugen partizipieren,
  3. die modernste Version der F-15E „Strike Eagle“ und
  4. eine Lösung auf Basis der F/A-18 der neusten Generation. 

In die Endauswahl kamen die Optionen 1 und 4. Die Option 1, weil es eine europäische Lösung war und diese industriepolitisch gewünscht war, die Option 4, weil sie die geringsten Widerstände aus Frankreich versprach und die USA zugleich vor das Problem stellte, Deutschland zu erklären, warum die nukleare Zertifizierung eines Tornado-Nachfolgers aus Europa so viele Jahre länger dauern sollte als die Zertifizierung eines vergleichbaren US-Produktes. Zudem hatte die Option 4 den Vorteil, ein fertig entwickeltes Flugzeug anzubieten, dass sowohl in der ECR-Rolle als auch für die nukleare Teilhabe und als Jagdbomber genutzt werden kann und es zugleich ermöglicht, den deutsch-schwedischen Marschflugkörper Taurus weitere Jahrzehnte zu nutzen.[ 38 ] Vielleicht spielte auch schon eine Rolle, dass Boeing  Flugzeuge des Typs F-18 bereits nutzt, um den verbundenen Einsatz von Kampfflugzeugen und diese begleitenden schnellen unbemannten Drohnen als „loyal wingman“ voranzutreiben, ein Konzept das auch im Blick auf das künftige europäische Kampfflugzeugsystem FCAS zu den Zielvorstellungen gehört.[ 39 ]

Dass die Wahl im BMVg auf die F-18-F als bevorzugtes Flugzeug für die Nukleare Teilhabe fiel, dürfte zudem mehrere weitere Gründe haben. Im Gegensatz zur F-35, auf die die anderen europäischen Teilhabe-Ländern setzen, ist die F-18-F ein im Prinzip bereits eingeführtes und auch bereits einsatzerprobtes Flugzeug, bei dem man nicht mit allzu vielen Kinderkrankheiten rechnen muss. Diese dürften sich in Grenzen halten und auf Komponenten beschränken, die bei der Version Block III erstmals eingesetzt werden. Bei der Problembehebung steht dann zunächst die US-Navy in der Pflicht, die dieses Flugzeugmuster zuerst erhält. Die F-18-F erfüllt zudem zwei andere Kriterien, auf die die Bundeswehr traditionell besonderen Wert legt. Sie hat zwei Triebwerke und die Besatzung besteht aus zwei Personen. Außerdem ist  dieses Flugzeug gegenüber Frankreich besser als die F-35 als zeitlich begrenzte „Brückenlösung“ verkäuflich und nimmt Paris die Angst, Deutschland verringere schon jetzt seinen künftigen Bedarf an neuen Kampfflugzeugen aus der gemeinsamen deutsch-französischer FCAS-Entwicklung.



(K)Ein Tornado-Ersatz ohne Probleme?

Die Beschaffung der F-18F (und der F-18 Growler) wird trotzdem kaum problemlos verlaufen. Ein paar Beipiele für offene Fragen in Kürze:

Die nukleare Zertifizierung und der Zeitplan: Auch wenn es gelingen sollte, bis 2022 oder 2023 mit Boeing einen vom Haushaltsausschuss des Bundestages gebilligten Beschaffungsvertrag für die 45 F-18 abzuschließen, so müsste die F-18-F in den USA für nukleare Einsätze noch zertifiziert werden. Eine frühere Version der F-18 besaß zwar eine solche Zertifizierung, die aktuelle Version hat diese aber nicht. Zudem galt die alte Zertifizierung nur für ältere Bombenmodelle vom Typ B61 und nicht für die künftige B61-12. 

Anfang 2019 gab Boeing an, man werde eine Zertifizierung der F-18-F bis 2025 erreichen.[ 40 ] Damals war noch nicht bekannt, dass die Serienproduktion der B61-12 sich noch einmal verzögern werde und auch bei der F-35 Block IV weitere Verzögerungen drohten. Wenige Monate später war man offenbar etwas vorsichtiger. Die Zertifizierung werde, so wurde dem BMVg Medienberichten zufolge mitgeteilt, bei der F-18 drei bis fünf Jahre weniger in Anspruch nehmen als beim Eurofighter.[ 41 ] Wann dies sein werde, wurde nicht bekannt.

Trotzdem kann die Zertifizierung bei einem Inkrafttreten des Kaufvertrages 2023 kaum schon bis 2025 abgeschlossen werden. Das wäre deutlich schneller als es bei der Zertifizierung von US-Flugzeugen wie der F16 und der F15E für die neue Atombombe vom Typ B61-12 ging. Viel schneller wird es auch bei der F-18 F kaum möglich sein, zumal andere Zertifizierungen wie für die F-35 (Joint Strike Fighter) sich ebenfalls bereits verzögert haben und deshalb Kapazitäten im Bereich der Zulassung binden.[ 42

Allerdings könnte die F-18-F möglicherweise auch einen Vorteil im Vergleich zu einem verlängerten Betrieb des Tornados bieten: Das Flugzeug ist wahrscheinlich ausreichend digitalisiert, um die zusätzlichen Fähigkeiten der B61-12 in vollen Umfang nutzen zu können, so z.B. die größere Zielgenauigkeit der Bombe durch das programmierbare und eine genaue Steuerung erlaubende Heckleitwerk der Waffe, das zudem vom gleichen Hersteller stammt wie das Flugzeug. 

Ein anderer Preis unter anderen Umständen: Der Hersteller der F18-F, Boeing, dürfte bei einer Bestellung 2022/23 für seine Flugzeuge einen höheren Preis aufrufen als den im bisherigen Informationsverfahren genannten. Die Rahmenbedingungen, die für die bisherige Kalkulation, gelten wahrscheinlich in weiten Teilen nicht mehr. Boeing muss künftig den enormen zusätzlichen Kapitalbedarf finanzieren, der für den Konzern aus der Kombination des Debakels um sein ziviles Brot-und-Butter-Flugzeug 737Max und andererseits den Folgekosten der Corona-Pandemie entstand. Diese Zusatzkosten werden in künftige Kalkulationen einfließen und Boeing-Flugzeuge wohl deutlich teurer machen.

Die Verfügbarkeit: Die größte Unsicherheit resultiert jedoch aus sich ändernden Planungen der US-Marine. Diese kann Boeing sehr weitgehende Vorgaben auch hinsichtlich der Produktionsanlagen des Konzerns machen. Solche Vorgaben können auch die Möglichkeiten der Firma beeinflussen, Exportverträge eingehen und erfüllen zu können. Bislang war offenbar angedacht, dass sich die Exporte nach Deutschland (und in andere potentielle Kundenländer Europas wie Finnland und die Schweiz) möglichst an die Bestellung der F-18-E/F Block III der US-Navy anschließen sollen, deren Ende für 2024 erwartet wurde. Bis dahin wollte Boeing zum einen 78 bis 2021 fest bestellte Flugzeuge und die letzten Exportversionen für Kuwait liefern und zum anderen bis 2024 noch einmal einen Auftrag über 36 neue Luftfahrzeuge für die US-Navy abarbeiten, der im US-Haushalt bereits vorgesehen war.

Jetzt hat die US-Navy aber für 2021 einen Haushaltsentwurf vorgelegt, der diese 36 Flugzeuge nicht mehr enthält. Es sollen nur noch die bereits bestellten neuen 78 Super Hornets des Blocks III gebaut werden. Danach, so erläuterte jüngst der Beschaffungschef der US-Navy James Geurts vor Abgeordneten, soll die Endmontagelinie für diese Flugzeuge in St. Louis möglichst schnell umgerüstet werden, um die vorhandenen Super-Hornets Blocks II der Navy auf den Standard Block III umzurüsten. Die Geschwindigkeit, mit der ältere Maschinen umgerüstet werden, soll zudem erhöht werden.[ 43

Würden diese Vorstellungen umgesetzt, so könnte die Bundesregierung 2022 oder 2023 möglicherweise gar keine neuen F-18-F des Blocks III mehr bestellen. Vom Band in St. Louis würden dann möglicherweise nur noch gebrauchte, aber modernisierte Maschinen kommen.

Zukunft der Nuklearen Teilhabe: Schließlich ist da noch ein „deutsches Phänomen“ – die Debatte über Zukunft der Nuklearen Teilhabe. Die Diskussion darüber hat in der parteipolitischen Kontroverse, aber auch in der „Fachöffentlichkeit“, mittlerweile die Dimension eines kleinen Glaubenskrieges[ 44 ] angenommen, eines Krieges um überwiegend „geglaubte Wahrheiten“ und „Fakten“, aber nicht einer kontroversen Debatte über fundiertes Wissen.[ 45 ] Schon deshalb ähnelt sie den nukleartheologischen Streitigkeiten über die Wirksamkeit und Funktionsweisen nuklearer Abschreckung und der abkoppelnden oder abkoppelnden Wirkung in Europa stationierter Atomwaffen der USA. Auf diese Debatte näher einzugehen, ist dieser Beitrag nicht auch noch der Ort.


 

ist freier Journalist und leitet das Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit - BITS


 

Fußnoten:

[ 1 ] BMVg: Priorisierung Materialinvestitionen – Handlungsempfehlungen, Berlin, 25.6.2010, Pkt W_3-G-2, online: http://www.geopowers.com/sites/default/files/PrioMat.pdf ; in Deutschland wurden damals wie heute noch maximal 20 Atomwaffen gelagert, siehe FN 4. [Alle Internetquellen in diesem Text wurden, soweit nicht anders angegeben, zuletzt am 30.4.2020 eingesehen.]

[ 2 ] Gebauer, Matthias / von Hammerstein, Konstantin: Der Eiertanz, in Der Spiegel, 11.4.2020, S.24-26 und De Mos, Katharina: Neues von den Bücheler Atombomben, Volksfreund, 27.4.2020, online; https://www.volksfreund.de/region/rheinland-pfalz/kernwaffen-b61-in-deutschland-modernisiert_aid-50271373

[ 3 ] Zu den Modernisierungsplänen für die B61-Bomben vgl. Nassauer, Otfried & Piper, Gerhard: Atomwaffenmodernisierung in Europa – Das Projekt B61-12, Berlin, September 2012, online: http://www.bits.de/public/pdf/rr-12-1.pdf Die NNSA ging damals von einer Bereitstellung der First Production Unit 2019 und der Serienproduktion ab 2020 aus, das Pentagon von einer Bereitstellung der FPU im FY 2022 und der Serienwaffen ab 2023.

[ 4 ] Dr. James Miller (PDUSDP / DoD) in Cable 09USNATO0378 vom 4.9.2009, im Internet: http://wikileaks.org/cable/2009/09/09USNATO378.html.  Für eine neuere, inoffizielle Abschätzung, die von einer weiteren kleinen Reduzierung ausgeht, siehe: Kristensen Hans / Korda, Matt:  United States Nuclear Weapons, 2020, Bulletin of Atomic Scientists, January 2020, im Internet: https://www.tandfonline.com/doi/pdf/10.1080/00963402.2019.1701286?needAccess=true 

[ 5 ] Reichweiten von Flugzeugen können je nach Beladung, Flugprofil, angenommener Dauer des Nachbrennerbetriebs und Annahmen über die mitgeführte Treibstoffmenge sehr unterschiedlich sein. Sie werden oft unrealistisch hoch und noch öfter in unvergleichbarer Form angegeben.

[ 6 ] Für den Tornado wurde zum Selbstschutz später ein zusätzlicher elektronischer Störsender (Cerberus bzw. Tornado Self Protection Jammer/TSPJ) entwickelt, dessen Betrieb zumindest zeitweilig das Geländefolgeradar störte und die Piloten zwang, nur eines der beiden Systeme zu betreiben.

[ 7 ] Die Mehrzweckwaffe-1 (MW-1), ein Submunitionsbehälter mit Wirkkörpern für verschiedene Aufgaben, der ursprünglich eine Hauptbewaffnung des Tornados darstellte, wurde außer Dienst gestellt, da die Submunitionen gegen das internationale Verbot von Streumunition verstoßen hätten. Die Flugkörper Kormoran und HARM haben praktisch das Ende ihrer geplanten technischen Lebensdauer erreicht. Die HARM-Flugkörper sollen in den kommenden Jahren durch eine modernere Version, die AGM88E AARGM abgelöst werden. Vgl.: Jennings, Gareth: US approves AARGM for GermanTornados, Janes Defense Weekly, 30.6.2019 und: Heiming, Gerhard: Bundeswehr erhält AGM-88E AARGM Antiradar-Lenkflugkörper, Europäische Sicherheit und Technik, 20.12.2019, im Internet: https://esut.de/2019/12/meldungen/ruestung2/17444/bundeswehr-erhaelt-agm-88e-aargm-antiradar-lenkflugkoerper/.

[ 8 ] Deutscher Bundestag: Drucksache 16/3169, S.2

[ 9 ] Bis Herbst 2006 waren 129 Luftfahrzeuge durch Unfälle und Abstürze (44) verloren gegangen oder ausgesondert worden (85). Vgl.: Deutscher Bundestag: Drucksache 16/3169, S.6. 2007, 2009 und 2014 stürzten insgesamt drei weitere Maschinen ab und es wurden weitere Flugzeuge ausgesondert, sodass die Luftwaffe ab November 2015 noch 93 Maschinen zur Verfügung hatte, von denen damals 39 auf den aktuellen ASSTA3-Standard umgerüstet waren. Vgl. Bundesministerium der Verteidigung: Bericht zur materiellen Einsatzbereitschaft der Hauptwaffensysteme der Bundeswehr, Berlin 30.11.2015, S.49. Inzwischen ist dies bei allen Maschinen der Fall. 85 Flugzeuge sind den zwei Geschwadern zugeordnet, die anderen Schulen und technischen Einrichtungen. 

[ 10 ] Diese Zahlen sind die der nominell zugeordneten Luftfahrzeuge; durch Instandsetzungs- und  Industrie-Aufenthalte zur Wartung und Modernisierung liegt der reale Bestand der Geschwader und die Zahl der für Einsätze verfügbaren Maschinen meist deutlich niedriger. Vgl. BMVg (2015) a.a.O.

[ 11 ] Bundesministerium der Verteidigung: Realisierungsplan für die Einnahme der Luftwaffenstruktur, Teilplan 03, Berlin, 12.Juni 2012, S.2.

[ 12 ] Bis 2011 war vorgesehen, auch das Jagdbombergeschwader 33 in Büchel ab 2012 auf nicht-nuklearfähige Eurofighter-Flugzeuge umzurüsten. Diese Planung wurde im Rahmen der Neuausrichtung der Bundeswehr im Herbst 2011 aufgegeben. Vgl. Bundesministerium der Verteidigung: Realisierungsplan für die Einnahme der Luftwaffenstruktur, Teilplan 03, Berlin, 12.Juni 2012. Ende 2019 erhielt die Bundeswehr die letzten ihrer derzeit bestellten 143 Eurofighter. Auf diese Zahl wurde die ursprünglich geplante Beschaffung von 180 Stück damals reduziert. Somit konnte ein Geschwader weniger mit dem Eurofighter ausgerüstet werden.

[ 13 ] Der Standort Memmingen wird nicht mehr militärisch genutzt. Die technische Infrastruktur zur Lagerung atomarer Waffen wurde abgebaut.

[ 14 ] Deutscher Bundestag, Drucksache 16/9834 vom 26.6.2008, S.36, online: http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/16/098/1609834.pdf.  Die Unterstreichungen in den Passagen sind Hervorhebungen des Autors.

[ 15 ] Bundesministerium der Verteidigung - Presse- und Informationsstab: Sprechererklärung zur Nutzungsdauer der Tornado-Jagdbomber, Berlin, 6.10.2010

[ 16 ] BMVg: Bericht des Bundesministeriums der Verteidigung zur Zukunft des Waffensystems Tornado, Berlin, 12.10.2011

[ 17 ] Ausschrift der Regierungspressekonferenz vom 3.9.2012

[ 18 ] Deutscher Bundestag, Drucksache 17/10875, S.46

[ 19 ] Bundesministerium der Verteidigung: Militärische Luftfahrtstrategie 2016, Berlin, 19.1.2016, S.26

[ 20 ] Deutscher Bundestag: Drucksache 17/13820, Berlin, 5.6.2013, S.28f.

[ 21 ] Deutscher Bundestag: Drucksache 19/9353, 9.4.2019, Frage 27. Die Begründung für die Geheimhaltung  wirkt vorgeschoben. Die Verfügbarkeit solcher Daten könne „für die Interessen der Bundesrepublik Deutschland nachteilig sein“. Die Interessen der Bundesrepublik mit dem Interesse einer Exekutive gleichzusetzen, die Entscheidungen über große Investitionen aus Steuergeldern möglichst von der Öffentlichkeit unkontrollierbar auf Basis exekutiven  Herrschaftswissen über die erforderlichen Fakten vorbereiten zu können, entspricht einem vordemokratischen Selbstverständnis des Staats“dieners“, der vor allem sich selbst dient. Transparenz ist dann ein unbekanntes Fremdwort.

[ 22 ] Die Nutzungsdauer des Tornados war ursprünglich auf 4.000 Flugstunden (Zelle) und 3.000 Flugstunden (Triebwerk) ausgelegt. Die Nutzungsdauer für die Zelle wurde später auf 8.000 Flugstunden und für das Triebwerk auf 7.500 Stunden verlängert. Vgl. Europäische Sicherheit 4-2010, online: http://www.europaeische-sicherheit.de/Ausgaben/2010/2010_07/04_Gei%DF_Berndt/2010,07,04.html (zuletzt eingesehen im Januar 2016).

[ 23 ] Bundesministerium der Verteidigung: Militärische Luftfahrtstrategie 2016, Berlin, 19.1.2016, S.26

[ 24 ] Bundesministerium der Verteidigung: 4. Bericht des Bundesministeriums für Verteidigung zu Rüstungsangelegenheiten, Teil I, Berlin, September 2016, S. 143

[ 25 ] Bundesministerium der Verteidigung: 10. Bericht des Bundesministeriums für Verteidigung zu Rüstungsangelegenheiten, Teil I, Berlin, Dezember 2019, S. 73f.

[ 26 ] Siehe: https://www.bmvg.de/de/tornado-nachfolger-beschaffung-neue-kampfflugzeuge-fuer-truppe

[ 27 ] Rachow, Volker: Luftwaffe – Tornado MLU, Air International, Dezember 2011, S. 74f

[ 28 ] Jennings. Gareth: a.a.O. und Berndt, Dietmar (Airbus Defnce and Space): Tornado in den „besten“ Jahren – Potentielle Zukunftsthemen, Präsentation, Universität der Bundeswehr, München, 22.10.2014, S.17 f..

[ 29 ] Deutscher Bundestag: Drucksache 17/10875, S.47: „Es sind derzeit für die Luftfahrzeuge Tornado IDS keine speziell mit der nuklearen Teilhabe zu begründenden Modernisierungen geplant.“

[ 30 ] Dies hat teils mit der Verzögerung bei Entwicklung und Serienproduktion der Bombe zu tun.

[ 31 ] Bei voll digitalisierten Trägerflugzeugen gibt es sogar zwei ICUs. Die zweite verbindet die eigentliche Bombe mit dem für die Lenkung zuständigen beweglichen Heckleitwerk (TKA, Tail Kit Assembly), das ebenfalls mit Daten für den konkreten Einsatz gefüttert werden muss.

[ 32 ] In den letzten Jahren gelang es gewaltfreien FriedensaktivistInnen wiederholt, zunächst unbemerkt auf den Platz und teilweise sogar zu Flugzeugsheltern vorzudringen, um dort gegen die Stationierung atomarer Waffen in Büchel zu protestieren. Ähnliche Aktionen fanden auch in Belgien am dortigen Atomwaffenstandort Kleine Brogel statt.

[ 33 ] Siehe: http://www.bits.de/public/unv_a/orginal-220915.htm und: http://fas.org/blogs/security/2015/09/nuclear-insecurity/

[ 34 ] Deutscher Bundestag: Drucksache 19/13177, 13.9.2019, S.3

[ 35 ] Riedel, Donata: Eurofighter und F-18 statt Tornados: Harte Kritik am Kampfflugzeug-Plan der Verteidigungsministerin, in Handelsblatt, 22.4.2020, im Internet: Handelsblatt.

[ 36 ] 2016 ging die Militärische Luftfahrtstrategie des BMVg noch davon aus, dass dieses System seine Initial Operational Capability spätestens dann erreichen solle, wenn der Tornado an das Ende seiner Nutzungsdauer komme, a.a.O..

[ 37 ] Es gibt im BMVg offenbar begründete Zweifel, ob die Eurofighter-Hersteller um Airbus in der Lage wären, ab 2025 oder bald darauf eine funktions- und einsatzfähige ECR-Variante des Eurofighters auszuliefern. Deshalb bevorzugt man ein marktverfügbares und bereits einsatzerprobtes Flugzeug und gibt den Eurofighter-Herstellern zugleich über die Option eine Chance, diese Zweifel zeitnah zu beseitigen und auch noch zum Zug zu kommen. Dieses Vorgehen lässt der Industrie zugleich die Chance, technologische Fähigkeiten weiter zu entwickeln, die auch im Kontext des französisch-deutschen Vorhabens FCAS erneut Anwendung finden könnten.

[ 38 ] Die F-35 kann den Taurus nicht intern tragen, weil er zu groß für den Waffenschacht des Flugzeugs ist. Der Eurofighter ermöglicht wahrscheinlich nur eine Aufhängung unter den Flügeln, was dazu zwingt, jeweils zwei Flugkörper mitzuführen. Die Integration soll zwar theoretisch möglich sein, ist aber bislang nicht erfolgt. In die F18 C/D ist der Taurus bereits durch Spanien integriert worden. Die Integration in die Super Hornet dürfte kein unlösbares Problem sein.

[ 39 ] David Axe: Boeing Just Revealed the ‘Loyal Wingman’ Fighter Drone—For Australia, Daily Beast, 2.3.2019, im Internet: https://www.thedailybeast.com/boeing-just-revealed-the-loyal-wingman-fighter-dronefor-australia

[ 40 ] Siehe: NN: Mönch Publishing Group, Boeing F/A-18E/F Super Hornet Block III Nuclear Capable by 2025, 15.5.2019, im Internet: https://www.monch.com/mpg/news/air/5450-f18blk3.html.

[ 41 ] Diese Auskunft mag das Interesse der USA spiegeln, dass Deutschland Milliarden für US-Flugzeuge ausgibt.

[ 42 ] Bislang wurden aufgrund von Programmverzögerungen noch keine Flugzeuge des nuklearfähigen Typs F35 Block IV hergestellt und ausgeliefert. Dieses Modell konnte somit auch noch nicht nuklear zertifiziert werden. Auch der ursprüngliche Zeitplan für die Umrüstung der europäischen Geschwader in Italien, Belgien, den Niederlanden und der Türkei auf F35 und die B61-12 ist inzwischen ins Wanken geraten.

[ 43 ] Eckstein, Megan: Navy Says Ending Super Hornet Line Frees Up Ressources for Life Extension Work, USNI News, 10.3.2020, im Internet: https://news.usni.org/2020/03/10/navy-says-ending-super-hornet-line-frees-up-resources-for-life-extension-work.

[ 44 ] Aus solchen können fatale Schismen resultieren wie uns die Kirchengeschichte lehrt.

[ 45 ] Da die meisten Quellendokumente faktischen Wissens strenger Geheimhaltung unterliegen, nehmen diese auch die zur Einsicht berechtigten Politiker nur selten oder nie zur Kenntnis, wissen also nicht, ob ihr geglaubtes Wissen ober die nukleare Teilhabe aus Zeiten des Kalten Krieges noch dem aktuellen Stand der Realität und den technisch implementierbaren militärischen Konzepten entspricht. Darin manifestiert sich ein eklatanter Verzicht der Politik auf den Primat der Politik – also eine Selbstentmächtigung.