Originalbeitrag
04. Mai 2020


Türkische Luftbrücke für Munition aus Südafrika

von Otfried Nassauer


Seit Ende April hat die türkische Luftwaffe eine Luftbrücke für dringliche Munitionslieferungen aus Südafrika  aufgebaut. Lieferant der Munition ist das deutsch-südafrikanische Joint Venture Rheinmetall Denel Munition (RDM), das mehrheitlich der Rheinmetall AG in Düsseldorf gehört.

Die türkische Luftwaffe nutzt  dafür Transportflugzeuge vom Typ A400M aus dem Hause Airbus. Ihr stehen bislang neun von zehn bestellten Flugzeuge dieses Typs zur Verfügung. Im Abstand von zwei Tagen fliegen derzeit jeweils zwei dieser Maschinen auf unterschiedlichen Wegen aus der Türkei nach Kapstadt und holen vom dortigen internationalen Flughafen die Lieferung ab. Ihre Ladung wird – gut verpackt in stabilen Holzkisten – per LKW aus dem nahen RDM-Werk in Somerset West angeliefert. Die Explosivstoff-Transporte zum wenige Kilometer entfernten Flughafen sichert das südafrikanische Militär ab.

Die Flüge waren  aufgrund des corona-bedingt ausgedünnten Flugverkehrs besonders gut zu beobachten. Die ersten Transportflugzeuge erreichten Kapstadt am 30.April, zwei weitere folgten am 2. Mai. Heute waren erneut zwei türkische Maschinen in Kapstadt zu Besuch. Ob und wieviele weitere Flüge noch folgen, ist ungewiss. Das erste Flugzeug nutzte die Türkei für eine kleine, humanitäre Public Relations Mission. Es brachte auch medizinische Hilfsgüter nach Südafrika mit, u.a. 100.000 Gesichtsmasken für Operationen, 100 Masken nach N95-Standard, 500 Schutzanzüge und 500 medizinische Schutzbrillen.

Doch der eigentliche Grund der weiten Reise war alles andere als humanitär. Die Türkei hat in Südafrika Munition oder explosive Stoffe für Munition bestellt. Für RDM ist dieser Auftrag von großer Bedeutung, denn er füllt bei RDM eine Lücke im Auftragsbuch. Seit Mai 2019 bekommt die Firma keine südafrikanischen Ausfuhrgenehmigungen mehr für zwei ihrer wichtigsten Kunden: Saudi Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate. Diese weigern sich, eine Endverbleibserklärung zu unterschreiben, die Südafrika das Recht geben würde, den Verbleib ihrer Lieferungen im Empfängerland nachträglich und vor Ort zu überprüfen. Saudi-Arabien und die VAE spielen jedoch eine zentrale Rolle im Jemenkrieg und Munition ist beides, Verbrauchsgut und so etwas wie ein Grundnahrungsmittel eines Krieges. Die Emirate engagieren sich zudem im libyschen Bürgerkrieg auf Seiten des Rebellengenerals Haftar. In beiden Konflikten sind bereits südafrikanische Munition von RDM aufgetaucht.

Eigentlich sollten die Lieferungen an Ankara schon im März beginnen. Dann aber kamen CoVid-19 und der Shutdown dazwischen  und erschwerten die Transportplanung. Doch Ankara hatte es offenbar so eilig an die Lieferung aus Südafrika zu kommen, dass man  sich für eine ebenso unwirtschaftliche wie schnelle Lieferung entschied. Statt einen Schiffstransport zu planen, entschied man sich zur Organisation einer Luftbrücke.

Der A400M ist für den weiten Weg nach Südafrika nicht gerade ideal. Zwar kann das Flugzeug leer die mehr als 8.300 Kilometer lange Strecke non-stop überbrücken, muss dafür aber alle Überfluggenehmigungen für die Nutzung des direkten Weges haben. Für potentiell notwendige Umwege bleibt dann nur noch eine kleine Reserve. Für Non-Stop-Flüge mit Munition aus Südafrika an Bord zurück in die Türkei ist der Weg aber deutlich zu weit. Weder mit einer maximalen Zuladung von 37 Tonnen noch mit einer Zuladung von nur 20 Tonnen wäre die Reichweite ausreichend. Zumindest eine Zwischenlandung zum Tanken ist also nötig. Auch diese erfordern eine Genehmigung. Zusätzliche  Flüge mit kleinerer Ladung steigern aber die Kosten. Was kann so dringlich sein, dass ein solcher Aufwand gerechtfertigt ist? Übungsmunition für Ausbildungszwecke wie die türkische Botschafterin, Elif Ülgen, den Großteil der türkischen Bestellung gegenüber der südafrikanischen Zeitung Daily Maverick beschrieb, wohl eher nicht. Verständlicher wäre die Eile dagegen, wenn den türkischen Streitkräften drohen würde, dass wichtige Einsatzmunition nicht mehr verfügbar wäre oder in der Türkei nicht mehr produziert werden könnte, weil Zulieferungen fehlen. Schließlich führt auch die Türkei derzeit zwei Kriege – im Norden Syriens und in Libyen.

In der Türkei landen die Transporte aus Südafrika scheinbar auf dem militärischen Flugplatz von Etimesgut in Ankara. Von dort ist es nicht weit nach Kirikale, einer Stadt, in der der türkische Rüstungskonzern MKE wichtige Werke zur Munitionsherstellung betreibt. MKE erwähnte die auch die türkische Botschafterin in Südafrika als Empfänger. Sie sprach davon, die Zusammenarbeit mit RDM habe vor zwei Jahren begonnen. Die Auslieferung begann wohl erst jetzt.


ist freier Journalist und leitet das Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit - BITS