X mal zwei – Fregatten für Ägypten als Industriepolitik
von Otfried Nassauer
Peter Altmeier, Wirtschaftsminister und CDU-Politiker, hat zwischen den
Jahren seine Pflicht erfüllt. Er ließ den Bundestag
darüber informieren, dass die Bundesregierung kurz vor den
Feiertagen ein heikles Rüstungsexportgeschäft
abschließend und positiv befasst also genehmigt hat. Das
autokratisch regierte Ägypten darf mit einer Fregatte des Typs
MEKO A200 von ThyssenKrupp Marine Systems (tkms) beliefert werden.
Geplant sind mindestens zwei Fregatten, möglicherweise sogar vier.
Jede dürfte um die 500 Mio. € kosten, also etwa die
Hälfte dessen, was die Schiffe des gleichen Typs für Algerien
gekostet haben. Der Hintergrund: Der Preis für Schiffe
Ägyptens ist geringer, weil Ausrüstung wie Bordhubschrauber
oder Munition nicht Bestandteil des Vertrages sein sollen.
Diese Genehmigung könnte aus zwei Gründen Prostete
auslösen. Teile der SPD werden in ihr einen Verstoß gegen
den Koalitionsvertrag sehen. Dieser sieht vor, für Staaten, die
unmittelbar am Krieg im Jemen beteiligt sind, keine neuen
Rüstungsexportgenehmigungen mehr zu erteilen. Ägypten ist
politisch immer noch Teil der von Saudi-Arabien angeführten
Koalition und hat sich in der Vergangenheit an der militärischen
Intervention im und gegen den Jemen beteiligt. Gegenwärtig ist das
scheinbar nicht mehr der Fall. Die Bundesregierung betrachtet
offensichtlich nur zwei Länder als "unmittelbar" am Jemenkrieg
beteiligt: Saudi Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate.
Für die VAE werden derzeit scheinbar keine völlig neuen
Genehmigungen mehr erteilt, die Erfüllung bereits bestehender
Verträge wird aber nicht behindert. Bei Saudi Arabien hat die
Bundesregierung darüber hinaus die Industrie gebeten, auf die
Nutzung bestehender Liefergenehmigungen vorläufig zu verzichten.
um den Druck auf das Königreich zu erhöhen, seine
Verantwortung für die Ermordung des saudischen Journalisten Jamal
Khaschoggi einzugestehen und diesen aufzuklären. Widerrufen wurden
bestehende Genehmigungen aber offenbar nicht. Berlin will die weitere
Entwicklung abwarten und die Lage dann noch einmal neu beurteilen.
Der zweite Grund für Proteste ist die autokratische
Regierungsführung des Ägyptischen Präsidenten al-Sisi
und dessen von erheblichen Menschenrechtsverletzungen begleitete
Politik der harten Hand.
Im Blick auf die zu erwartende Kritik scheint die
Bundesregierung auf ein wohlbekanntes Argumentationsmuster
zurückzugreifen: Mit Kriegsschiffen werden äußerst
selten Menschenrechte verletzt, deswegen gilt für deutsche
Rüstungsexportgenehmigen seit Jahrzehnten immer wieder: "Was
schwimmt, geht."
Doch die Motive hinter dieser Genehmigung reichen tiefer. Mit
den Exporten nach Ägypten kann europäische Industriepolitik,
genauer Marineindustriepolitik gemacht werden. Das nordafrikanische
Land war in der jüngeren Vergangenheit vor allem Kunde bei der
französischen Naval Group, ehemals DCNS. Ägypten kaufte
Frankreich zwei ursprünglich für Russland gebaute
Hubschrauberträger der Mistral-Klasse ab, erwarb eine technisch
abgespeckte Mehrzweck-Fregatte der FREMM-Klasse aus französischen
Marinebeständen und bestellte vier 2.500-Tonnen-Korvetten der
Gowind-Klasse bei der Naval Group, von denen die erste in Frankreich
und die drei weiteren in Alexandria, Ägypten, gebaut werden.
Für zwei weitere Schiffe dieses Typs wurde eine Option vereinbart.
Tkms hatte bereits bei dieser Ausschreibung größere Schiffe
der MEKO A200-Klasse angeboten, war aber nicht zum Zug gekommen.
Allerdings kam auch die deutsche Werft seit 2012 mit Ägypten im
Geschäft. Sie baut vier U-Boote der Klasse 209/1400, von denen
zwei bereits ausgeliefert sind.
Dass Ägypten nunmehr auch MEKO-Fregatten bauen lassen
will und deshalb voraussichtlich auf die zwei optionierten
Gowind-Korvetten verzichtet, überrascht viele. Wie andere
Länder versucht Kairo offenbar auch, seine
Rüstungsbeschaffung im Ausland zu diversifizieren, um nicht von
einzelnen Staaten und den tagespolitischen Beziehungen mit diesen zu
abhängig zu werden.
Diesbezügliche Befürchtungen könnte Kairo
zurecht hegen. Agypten beteiligt sich zwar derzeit nicht mehr offen
sichtbar an der Intervention im Jemen, unterstützt aber immer
offener in Libyen die Truppen des oppositionellen Generals Chalifa
Belqasim Haftar, der die von den Vereinten Nationen unterstützte
Regierung in Tripolis stürzen will.
In Frankreich sind die Gerüchte um den möglichen
Fregattenkauf Ägyptens deutlich früher ruchbar geworden als
in Deutschland. Dort fürchtete man Kairos Verzicht auf die
optionierten zusätzlichen Gowind-Korvetten und ein Wiedererstarken
des deutschen Konkurrenten tkms, den man bislang in einer Krise
wähnte, die die französische Seite hoffte nutzen zu
können, um dem Ziel eines europäischen Marinekonzerns, einer
Airbus Navale, näher zu kommen, in der die Naval Group
stärkster Partner werden sollte.
ist
freier Journalist und leitet das Berliner Informationszentrum
für Transatlantische Sicherheit - BITS
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