Ein U-Boot-Deal mit großen Fragezeichen – Der Korruptionsvorwurf in Israel
von Otfried Nassauer
Dunkle Wolken ziehen über Kiel auf. Der Marinetochter
von Thyssenkrupp, tkms, droht der Verlust eines großen
Rüstungsexportgeschäftes, mit dem der Konzern seine
Auslastung im kommenden Jahrzehnt absichern wollte.
Israel plant, drei weitere große U-Boote kaufen. Es geht
um eine Weiterentwicklung der zweiten Version der Dolphin-Klasse, also
von U-Booten, die mit einem von der Außenluft unabhängigen
Brennstoffzellen-Antrieb ausgestattet sind. FINS, Future Israeli
Navy Submarine, so lautet die Arbeitsbezeichnung für das neue
Vorhaben. Derzeit laufen konzeptionelle Vorarbeiten, um die
israelischen Auslegungs- und Ausstattungswünsche in das
Grunddesign zu integrieren. Rund 1,6 Mrd. Euro, so die die Planung,
soll das Vorhaben letztlich kosten, mit dem die israelische
Marine ihre 1999 und 2000 gelieferten Diesel-U-Boote der ersten
Dolphin-Generation ersetzen will. Frühestens ab 2027 können
die Boote ausgeliefert werden.
Ein deutscher Finanzierungszuschuss in Höhe von bis zu
540 Mio. Euro wurde im Herbst 2017 mit einem deutsch-israelischen
Abkommen zugesagt und steht seit Jahren als
Verpflichtungsermächtigung im Einzelplan 60 des Bundeshaushalts.
Rund ein Drittel der Projektkosten soll also vom deutschen Steuerzahler
übernommen werden. So war es auch bereits bei der zweiten
Generation der Dolphin-U-Boote.
Doch das Abkommen bindet die deutsche Finanzhilfe auch an
Bedingungen. Bevor der deutsche Zuschuss genutzt und ausgezahlt werden
kann, muss Israel einen Bauvertrag mit tkms existieren und zudem muss
ein Zahlungsabkommen zwischen der Deutschland, Israel und tkms
abgeschlossen worden sein. Beides ist bisher nicht geschehen. Das liegt
auch an einer weiteren Bedingung: Bevor die deutsche Unterstützung
in Anspruch genommen werden kann müssen sämtliche
Ermittlungen zu Korruptionszahlungen in Israel eingestellt und alle
diesbezüglichen Verdachtsmomente ausgeräumt sein, heiße
es in Paragraph zehn des deutsch-israelischen Abkommens, wusste der Spiegel
2017 zu berichten. Und weiter: „Das genaue Verfahren soll
in gegenseitigen Briefen geregelt werden. In dem Notenaustausch
behält sich die Bundesregierung das Recht vor, die U-Boote selbst
dann nicht zu liefern, wenn die israelische Regierung die Affäre
einseitig für beendet erklärt. Bedingung sei, dass auch der
israelische Generalstaatsanwalt die Einstellung aller Ermittlungen
bestätige und dass die Bundesregierung ihrerseits die Affäre
für beendet hält.“
Anlass zu einer solchen Absicherung waren
Korruptionsvorwürfe und polizeiliche Ermittlungen, die 2016 in
Israel aufgekommen bzw. eingeleitet worden waren. In ihnen spielt der
frühere Handelsvertreter von tkms in Israel, Michael (Miki) Ganor,
eine zentrale Rolle. Die Bundesregierung ging es in der Folge vor allem
darum, den Eindruck zu vermeiden, dass deutsche Steuergelder,
bereitgestellt um Israels Sicherheit zu gewährleisten und die
deutsche Marineindustrie zu unterstützen, im Kontext von
Korruption eine Rolle spielen könnten.
Zwei Jahre später, 2019, sieht es noch immer nicht danach
aus, als ob jegliche Korruption im Zusammenhang mit den Beschaffungen
der israelischen Marine bei tkms ausgeschlossen werden könne. Im
Gegenteil. Nachdem zunächst die israelische Polizei nach dem
Abschluss ihrer Ermittlungen im letzten Jahr empfohlen hatte, ein
staatsanwaltliches Ermittlungsverfahren gegen mehrere Beteiligte an
diesem „Fall 3000“ einzuleiten, hat auch die
Staatsanwaltschaft Israels sich in der vergangenen Woche sich
dafür ausgesprochen, gegen mehrere Personen rechtlich
vorzugehen.
Premierminister Netamjahu, der wichtigste politische
Befürworter des Kaufs weiterer U-Boote, ist zwar nicht
darunter, aber eine Reihe von Personen aus seinem näheren Umfeld.
Genannt werden neben dem früheren Handelsvertreter von tkms, Miki
Ganor, unter anderem der ehemalige Marinechef Israels Eliezer Marom,
Netanjahus früherer Stabschef David Sharan, Eliezer Zandberg, ein
früherer Kabinettsminister, und der private Anwalt von
Premierminister Netanjahu, David Shimron, der als Rechtsanwalt auch
für Miki Ganor tätig war. Unklar scheint noch zu sein, ob
auch der ehemalige Vizechef des Nationalen Sicherheitsrates Israels,
Avriel Bar Yosef, angeklagt werden soll. All diesen Personen muss
zunächst noch rechtliches Gehör gewährt werden, bevor
eine Anklage erhoben werden kann. Sie weisen die Vorwürfe der
Strafverfolger zurück. Diese wiegen aber schwer. Es ist von
Bestechung, Vorteilsnahme und Vorteilsgewährung, Untreue und
Betrug, Geldwäsche und Steuervergehen die Rede.
Unzulässige Zahlungen soll der Handelsvertreter von tkms
in Israel, Miki Ganor, arrangiert und getätigt haben. Ihm sei es
darum gegangen, israelische Marinebeschaffungen bei tkms politisch
durchzusetzen, von denen er über Provisionszahlungen später
profitiert hätte. Ganor war zunächst geständig und
ließ sich 2017 darauf ein, als Kronzeuge der Anklage zu
fungieren. 2019 widerrief er Teile seiner Aussagen und verlor
darüber seinen Kronzeugendeal. Die ermittelnde Polizei musste ihre
Beweislage deshalb noch einmal nachbessern. Sie bat u.a. in Deutschland
um Rechtshilfe und sprach 2019 auch bei den Ermittlern der hier
zuständigen Staatsanwaltschaft Bochum vor. Diese hatte ihre
eigenen früheren Ermittlungen gegen Thyssenkrupp zunächst zu
einer Beobachtung des Falls zurückgestuft, auch weil eine von tkms
beauftragte Untersuchung zu dem Ergebnis gekommen war, dass es dort zu
keinen größeren Verfehlungen gekommen sei. Nach dem Kontakt
mit den israelischen Kollegen und deren Beleglage aber wurden auch die
Bochumer Ermittlungen einem Medienberichten zufolge wieder aufgenommen.
Davon, dass inzwischen alle Verdachtsmomente ausgeräumt worden
sein könnten und die Ermittlungen vor der Einstellung
stehen, kann also wohl kaum die Rede sein.
Der Teufel im Detail
Ob das geplante U-Bootgeschäft zustande kommt oder noch
scheitert ist vor allem davon abhängig wie die deutsche
Antikorrupttionsbedingung in dem deutsch-israelischen Abkommen von 2017
und dem begleitenden Notenwechsels genau formuliert ist. Das ist bis
heute nicht öffentlich bekannt, aber von entscheidender
Bedeutung.
2017 wollte die Bundesregierung den Eindruck erwecken, dass
diese Bedingung sehr klar und konkret gefasst werde: Nicht nur die
israelische Regierung, sondern auch die Justiz Israels und die
Bundesregierung müssten zu der Auffassung gelangen, das alle
Verdachtsmomente ausgeräumt seien. Alle Ermittlungen müssten
eingestellt worden sein, bevor es mit dem U-Boot-Geschäft
weitergehen könne. Das klingt nach einer scharf gefassten
Bedingung.
Doch es gibt auch Anlass zu Skepsis und Vorsicht. Fand die
geplante, scharfe Version der Antikorruptionsbedingung letztendlich
auch so Eingang in das Abkommen und den begleitenden
deutsch-israelischen Notenwechsel? Oder wurde sie später noch
abgeschwächt? Seit das Abkommen unterzeichnet und die Noten
ausgetauscht sind, antwortet die Bundesregierung auf Nachfragen zu
deren konkretem Inhalt zu meist vage oder - unter Hinweis auf die
vereinbarte Vertraulichkeit - gar nicht. Manche Antworten sind sogar
nebulös oder zweideutig. Ein gutes Beispiel dafür bot zuletzt
die Bundespressekonferenz am gestrigen 12. Dezember 2019. Der Sprecher
des zuständigen Verteidigungsministerium, Fähnrich, lieferte
sich dort folgenden Wortwechsel mit einem Journalisten:
Fähnrich: „Es gibt
entsprechende Vereinbarungen in diesem Vertrag, die erfüllt sein
müssen, um diesen Vertrag auch in Kraft treten zu lassen, und
diese sind bis jetzt noch nicht erfüllt.“
Zusatzfrage: „Das wäre
die Nachfrage gewesen. Der Anlass am Montag war ja gewesen, dass es
neue Korruptionsvorwürfe gegen Herrn Netanjahu gab. Ich verstehe
Sie so, dass der Vertrag deutscherseits nicht realisiert werden kann,
ehe diese Vorwürfe nicht ausgeräumt sind. Ist das
richtig?“
Fähnrich: „Zu den
vermeintlichen Korruptionsvorwürfen, die im Raum stehen: Die
nehmen wir hier zur Kenntnis. Das sind auch rein interne
Angelegenheiten des Staates Israel. Ich habe Ihnen gesagt, dass es
entsprechende Bedingungen in diesem Vertrag gibt, die auch einer
entsprechenden Vertraulichkeit unterliegen.“
Zusatzfrage: „Aber sie sind noch nicht erfüllt. Das haben Sie auch gesagt!“
Fähnrich: „Ich habe gesagt: Es sind noch nicht alle erfüllt.“
Klarheit klänge anders. Mit seiner letzten Aussage
erweckte der Sprecher sogar den Eindruck als seien bereits einige
Bedingungen erfüllt, andere aber noch nicht. Das erweckt den
Eindruck, als sei man auf einem guten Weg. Da der Bauvertrag zwischen
Israel und tkms aber noch nicht unterzeichnet ist und auch das
Zahlungsabkommen zwischen Deutschland, Israel und tkms noch aussteht,
müssen die bereits erfüllten Bedingungen aus dem Bereich der
Korruptionsermittlungen stammen. Dort, so haben die Entwicklungen
der letzten Tage aber gezeigt, geht es jedoch scheinbar in Richtung
einer Anklage und nicht Richtung einer Einstellung der
Ermittlungen.
Wie sehr es auf die genaue Formulierung der
Antikorruptionsbedingung ankommen könnte, kann ein kleines
Gedankenexperiment verdeutlichen, in dem zwei unterschiedliche
Varianten gegeneinander gestellt werden: Im Fall A müssten alle
Verdachtsmomente ausgeräumt werden, dass es im Kontext der
konkreten Entscheidung Israels, U-Boote aus dem FINS-Projekt kaufen zu
wollen, rechtswidrige Zahlungen gegeben habe. Im Fall B wäre die
Antikorruptionsbedingung dagegen nur erfüllt, wenn alle
Verdachtsmomente und Ermittlungen zu unrechtmäßigen
Zahlungen im Kontext der Thyssenkrupp- oder tkms-Geschäfte mit
Israel aus der Welt geschafft werden könnten.
Der Unterschied zwischen den Fällen A und B ist
entscheidend. Im Fall A könnte das FINS-Projekt mit großer
Wahrscheinlichkeit wieder aufgenommen und durchgeführt werden.
Sähe die Antikorrruptionsbedingung so aus wie in Fall A
angenommen, so wären die in Israel anstehenden Verfahren selbst im
Falle einer Verurteilung von nebensächlicher Bedeutung, solange
kein direkter Zusammenhang der inkriminierten Handlungen mit der
geplanten U-Boot-Bestellung gerichtsfest nachgewiesen werden kann.
Träfe dagegen Fall B zu, so wäre das FINS-Projekt auch dann
massiv gefährdet, wenn das Gericht einen Zusammenhang mit anderen,
früheren tkms-Geschäften in Israel feststellt.
Ein Beispiel zur Illustrattion: Zur Sprache kommen
könnten z.B. Zahlungen von Miki Ganor, die dem ehemaligen Chef der
israelischen Marine, Eliezer Marom und Avriel Bar Yosef, dem
früheren stellvertretenden Vorsitzenden des Nationalen
Sicherheitsrates zugute gekommen sein sollen. Marom und Bar Yosef
verhalfen Ganor 2009 dazu, Handelsvertreter von tkms zu werden und
boxten diesen gegen den früheren Repräsentanten von tkms in
Israel durch. Ganors Zahlungen an Marom erfolgten Jahre später,
nach dessen Ausscheiden aus dem aktiven Marinedienst und vermutlich wie
bei Bar Yosef auch als Dank für den lukrativen Job in Diensten von
tkms. Ganor hatte für diese Zahlungen jedenfalls
höchstwahrscheinlich noch keine Finanzmittel aus dem
künftigen Geschäft über die FINS-U-Boote zur
Verfügung. Über Provisiionsgelder verfügte er damals
allenfalls aus bereits laufenden tkms-Geschäften mit Israel.
Dafür kamen also nur erste Gelder aus dem Korvettengeschäft
oder aus dem Geschäft über das 6.Dolphin-U-Boot sowie
möglicherweise noch ganz andere Geschäfte infrage. All dies
würde nicht unter die Bedingung im Fall A fallen, sondern nur
unter jene im Fall B.
Eine Regelung, die dem Fall A entspräche, ginge zudem an
den für Provisionszahlungen üblichen Verfahrensweisen bei
Rüstungsgeschäften vorbei und wäre wohl weitgehend
wirkungslos. Üblicherweise fließen Provisionsgelder an
Vermittler pro rata aus den beim Auftragnehmer eingegangenen Zahlungen
des Kunden. Die erste solche Zahlung des Kunden erfolgt meist mit dem
Vertragsabschluss. Ganor kann auch deshalb noch keine substantiellen
Mittel aus dem FINS-Projekt eingesetzt haben, sondern nur Mittel aus
älteren Projekten. Dafür spricht auch, dass es zwischen Ganor
und seinem Vorgänger als tkms-Repräsentant in Israel zu einem
Disput darüber gekommen sein soll, wem die Provision aus dem
Vertrag über das sechste Dolphin-U-Boot zustehe. Über dieses
bestand zu Zeiten des Vorgängers nur eine Option; vertraglich
festvereinbart wurde es erst als Ganor bereits Repräsentant von
Thyssenkrupp war.
Intransparenz
Bei Rüstungsexporten beruft sich die deutsche Exekutive
gerne auf das 2014 gefällte Urteil des Bundesverfassungsgerichtes
zu ihren Informationspflichten und kombiniert dieses Urteil mit ihren
Pflichten zur Wahrung industrieller Geschäftsgeheimnisse. Sie sei
lediglich verpflichtet den Bundestag über die Grunddaten wie
Empfängerland, Liefergegenstand, und Volumina abschließend
gefallener Genehmigungsentscheidungen über solche Exporte zu
unterrichten, nicht aber über die Gründe oder Argumente
für oder wider solche Exporte sowie über den Stand und die
Erwägungen während ihrer Entscheidungsprozesse. All dies
gehöre in den Bereich des Exekutivprivilegs. Zudem seien Details
aus bi- oder multilateralen Exekutivabkommen - soweit mit dem
Partnerland so vereinbart – vertraulicher Natur und müssten
gegenüber Parlament nicht offen gelegt werden.
Bei den Marine-Geschäften mit Israel könnte jedoch
ein Sonderfall vorliegen. Da zur Finanzierung dieser Geschäfte
auch deutsche Steuermittel eingesetzt werden, könnte Intransparenz
gegenüber dem Bundestag einen unzulässigen Eingriff in dessen
verfassungsmäßig garantierte Rechte zur Festlegung des
Bundeshaushalts darstellen. Zumindest dem Haushaltsausschuss
müsste die Bundesregierung dann Auskunft erteilen und reinen
Wein einschenken – selbst auf die Gefahr hin, dass offengelegt
werden müsste, dass aus früheren Zuschüssen für
Beschaffungsvorhaben der israelischen Marine in Israel
Bestechungsgelder aus dem Bundeshaushalt mitfinanziert worden
wären.
Nachtrag vom 17.Januar 2020
Am 23. Dezember 2019 beantwortete Staatssekretär Nußbaum für das Wirtschaftsministerium noch eine Kleine Anfrage der Linken.
In seiner Antwort auf Frage 30 teilte er mit, dass die Bundesregierung
im 1.Halbjahr 2019 den Umbau eines im Bau befindlichen U-Bootes
für Israel mit Exportkreditgarantien in Höhe von 88 Mio. Euro
absichert habe. Diese Garantie betrifft das 6. Dolphin-U-Boot, das sich
derzeit noch im Bau befindet und wegen der Umbauwünsche Israels
deutlich später ausgeliefert werden soll. Dieses .U-Boot
erhält eine zusätzliche druckfest ausgelegte Rumpfsektion,
die genutzt werden kann, um mehrere Aufgaben zu erfüllen. Aus ihr
können zusätzliche Spezialkräfte abgesetzt oder
z.B.auch Flugkörper senkrecht gestartet werden. Eine
ausführlichere Beschreibung findet sich hier.
Ob die Mehrkosten für die Umrüstung oder die Ausstattung der
künftigen FINS-Generation israelischer U-Boote auch zu einer
Erhöhung des deutschen Finanzbeitrags zu diesen
Beschaffungsvorhaben führen wird ist noch nicht bekannt.
ist
freier Journalist und leitet das Berliner Informationszentrum
für Transatlantische Sicherheit - BITS
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