Originalbeitrag
13. Dezember 2019


Ein U-Boot-Deal mit großen Fragezeichen – Der Korruptionsvorwurf in Israel

von Otfried Nassauer


Dunkle Wolken ziehen über Kiel auf. Der Marinetochter von Thyssenkrupp, tkms, droht der Verlust eines großen Rüstungsexportgeschäftes, mit dem der Konzern seine Auslastung im kommenden Jahrzehnt absichern wollte. 

Israel plant, drei weitere große U-Boote kaufen. Es geht um eine Weiterentwicklung der zweiten Version der Dolphin-Klasse, also von U-Booten, die mit einem von der Außenluft unabhängigen Brennstoffzellen-Antrieb ausgestattet sind.  FINS, Future Israeli Navy Submarine, so lautet die Arbeitsbezeichnung für das neue Vorhaben. Derzeit laufen konzeptionelle Vorarbeiten, um die israelischen Auslegungs- und Ausstattungswünsche in das Grunddesign zu integrieren. Rund 1,6 Mrd. Euro, so die die Planung, soll das Vorhaben letztlich kosten, mit dem die israelische Marine  ihre 1999 und 2000 gelieferten Diesel-U-Boote der ersten Dolphin-Generation ersetzen will. Frühestens ab 2027 können die Boote ausgeliefert werden.

Ein deutscher Finanzierungszuschuss in Höhe von bis zu 540 Mio. Euro wurde im Herbst 2017 mit einem deutsch-israelischen Abkommen zugesagt und steht seit Jahren als Verpflichtungsermächtigung im Einzelplan 60 des Bundeshaushalts. Rund ein Drittel der Projektkosten soll also vom deutschen Steuerzahler übernommen werden. So war es auch bereits bei der zweiten Generation der Dolphin-U-Boote.

Doch das Abkommen bindet die deutsche Finanzhilfe auch an Bedingungen. Bevor der deutsche Zuschuss genutzt und ausgezahlt werden kann, muss Israel einen Bauvertrag mit tkms existieren und zudem muss ein Zahlungsabkommen zwischen der Deutschland, Israel und tkms abgeschlossen worden sein. Beides ist bisher nicht geschehen. Das liegt auch an einer weiteren Bedingung: Bevor die deutsche Unterstützung in Anspruch genommen werden kann müssen sämtliche Ermittlungen zu Korruptionszahlungen in Israel eingestellt und alle diesbezüglichen Verdachtsmomente ausgeräumt sein, heiße es in Paragraph zehn des deutsch-israelischen Abkommens, wusste der Spiegel 2017 zu berichten.  Und weiter: „Das genaue Verfahren soll in gegenseitigen Briefen geregelt werden. In dem Notenaustausch behält sich die Bundesregierung das Recht vor, die U-Boote selbst dann nicht zu liefern, wenn die israelische Regierung die Affäre einseitig für beendet erklärt. Bedingung sei, dass auch der israelische Generalstaatsanwalt die Einstellung aller Ermittlungen bestätige und dass die Bundesregierung ihrerseits die Affäre für beendet hält.“

Anlass zu einer solchen Absicherung waren Korruptionsvorwürfe und polizeiliche Ermittlungen, die 2016 in Israel aufgekommen bzw. eingeleitet worden waren. In ihnen spielt der frühere Handelsvertreter von tkms in Israel, Michael (Miki) Ganor, eine zentrale Rolle. Die Bundesregierung ging es in der Folge vor allem darum, den Eindruck zu vermeiden, dass deutsche Steuergelder, bereitgestellt um Israels Sicherheit zu gewährleisten und die deutsche Marineindustrie zu unterstützen, im Kontext von Korruption eine Rolle spielen könnten.  

Zwei Jahre später, 2019, sieht es noch immer nicht danach aus, als ob jegliche Korruption im Zusammenhang mit den Beschaffungen der israelischen Marine bei tkms ausgeschlossen werden könne. Im Gegenteil. Nachdem zunächst die israelische Polizei nach dem Abschluss ihrer Ermittlungen im letzten Jahr empfohlen hatte, ein staatsanwaltliches Ermittlungsverfahren gegen mehrere Beteiligte an diesem „Fall 3000“ einzuleiten, hat auch die Staatsanwaltschaft Israels sich in der vergangenen Woche sich dafür ausgesprochen, gegen mehrere Personen rechtlich vorzugehen. 

Premierminister Netamjahu, der wichtigste politische Befürworter des Kaufs weiterer U-Boote,  ist zwar nicht darunter, aber eine Reihe von Personen aus seinem näheren Umfeld. Genannt werden neben dem früheren Handelsvertreter von tkms, Miki Ganor, unter anderem der ehemalige Marinechef Israels Eliezer Marom, Netanjahus früherer Stabschef David Sharan, Eliezer Zandberg, ein früherer Kabinettsminister, und der private Anwalt von Premierminister Netanjahu, David Shimron, der als Rechtsanwalt auch für Miki Ganor tätig war. Unklar scheint noch zu sein, ob auch der ehemalige Vizechef des Nationalen Sicherheitsrates Israels, Avriel Bar Yosef, angeklagt werden soll.  All diesen Personen muss zunächst noch rechtliches Gehör gewährt werden, bevor eine Anklage erhoben werden kann. Sie weisen die Vorwürfe der Strafverfolger zurück. Diese wiegen aber schwer.  Es ist von Bestechung, Vorteilsnahme und Vorteilsgewährung, Untreue und Betrug, Geldwäsche und Steuervergehen die Rede. 

Unzulässige Zahlungen soll der Handelsvertreter von tkms in Israel, Miki Ganor, arrangiert und getätigt haben. Ihm sei es darum gegangen, israelische Marinebeschaffungen bei tkms politisch durchzusetzen, von denen er über Provisionszahlungen später profitiert hätte. Ganor war zunächst geständig und ließ sich 2017 darauf ein, als Kronzeuge der Anklage zu fungieren. 2019 widerrief er Teile seiner Aussagen und verlor darüber seinen Kronzeugendeal. Die ermittelnde Polizei musste ihre Beweislage deshalb noch einmal nachbessern. Sie bat u.a. in Deutschland um Rechtshilfe und sprach 2019 auch bei den Ermittlern der hier zuständigen Staatsanwaltschaft Bochum vor. Diese hatte ihre eigenen früheren Ermittlungen gegen Thyssenkrupp zunächst zu einer Beobachtung des Falls zurückgestuft, auch weil eine von tkms beauftragte Untersuchung zu dem Ergebnis gekommen war, dass es dort zu keinen größeren Verfehlungen gekommen sei. Nach dem Kontakt mit den israelischen Kollegen und deren Beleglage aber wurden auch die Bochumer Ermittlungen einem Medienberichten zufolge wieder aufgenommen. Davon, dass inzwischen alle Verdachtsmomente ausgeräumt worden sein  könnten und die Ermittlungen vor der Einstellung stehen, kann also wohl kaum die Rede sein.


Der Teufel im Detail 

Ob das geplante U-Bootgeschäft zustande kommt oder noch scheitert ist vor allem davon abhängig wie die deutsche  Antikorrupttionsbedingung in dem deutsch-israelischen Abkommen von 2017 und dem begleitenden Notenwechsels genau formuliert ist. Das ist bis heute nicht öffentlich bekannt, aber von entscheidender Bedeutung. 

2017 wollte die Bundesregierung den Eindruck erwecken, dass diese Bedingung sehr klar und konkret gefasst werde: Nicht nur die israelische Regierung, sondern auch die Justiz Israels und die Bundesregierung müssten zu der Auffassung gelangen, das alle Verdachtsmomente ausgeräumt seien. Alle Ermittlungen müssten eingestellt worden sein, bevor es mit dem U-Boot-Geschäft weitergehen könne. Das klingt nach einer scharf gefassten Bedingung. 

Doch es gibt auch Anlass zu Skepsis und Vorsicht. Fand die geplante, scharfe Version der Antikorruptionsbedingung letztendlich auch so Eingang in das Abkommen und den begleitenden deutsch-israelischen Notenwechsel? Oder wurde sie später noch abgeschwächt? Seit das Abkommen unterzeichnet und die Noten ausgetauscht sind, antwortet die Bundesregierung auf Nachfragen zu deren konkretem Inhalt zu meist vage oder - unter Hinweis auf die vereinbarte Vertraulichkeit - gar nicht. Manche Antworten sind sogar nebulös oder zweideutig. Ein gutes Beispiel dafür bot zuletzt die Bundespressekonferenz am gestrigen 12. Dezember 2019. Der Sprecher des zuständigen Verteidigungsministerium, Fähnrich, lieferte sich dort folgenden Wortwechsel mit einem Journalisten:  

Fähnrich: „Es gibt entsprechende Vereinbarungen in diesem Vertrag, die erfüllt sein müssen, um diesen Vertrag auch in Kraft treten zu lassen, und diese sind bis jetzt noch nicht erfüllt.“

Zusatzfrage: „Das wäre die Nachfrage gewesen. Der Anlass am Montag war ja gewesen, dass es neue Korruptionsvorwürfe gegen Herrn Netanjahu gab. Ich verstehe Sie so, dass der Vertrag deutscherseits nicht realisiert werden kann, ehe diese Vorwürfe nicht ausgeräumt sind. Ist das richtig?“

Fähnrich: „Zu den vermeintlichen Korruptionsvorwürfen, die im Raum stehen: Die nehmen wir hier zur Kenntnis. Das sind auch rein interne Angelegenheiten des Staates Israel. Ich habe Ihnen gesagt, dass es entsprechende Bedingungen in diesem Vertrag gibt, die auch einer entsprechenden Vertraulichkeit unterliegen.“

Zusatzfrage: „Aber sie sind noch nicht erfüllt. Das haben Sie auch gesagt!“

Fähnrich: „Ich habe gesagt: Es sind noch nicht alle erfüllt.“

Klarheit klänge anders. Mit seiner letzten Aussage erweckte der Sprecher sogar den Eindruck als seien bereits einige Bedingungen erfüllt, andere aber noch nicht. Das erweckt den Eindruck, als sei man auf einem guten Weg. Da der Bauvertrag zwischen Israel und tkms aber noch nicht unterzeichnet ist und auch das Zahlungsabkommen zwischen Deutschland, Israel und tkms noch aussteht, müssen die bereits erfüllten Bedingungen aus dem Bereich der Korruptionsermittlungen stammen. Dort, so haben die Entwicklungen  der letzten Tage aber gezeigt, geht es jedoch scheinbar in Richtung einer Anklage und nicht Richtung einer Einstellung der Ermittlungen. 

Wie sehr es auf die genaue Formulierung der Antikorruptionsbedingung ankommen könnte, kann ein kleines Gedankenexperiment verdeutlichen, in dem zwei unterschiedliche Varianten gegeneinander gestellt werden: Im Fall A müssten alle Verdachtsmomente ausgeräumt werden, dass es im Kontext der konkreten Entscheidung Israels, U-Boote aus dem FINS-Projekt kaufen zu wollen, rechtswidrige Zahlungen gegeben habe. Im Fall B wäre die Antikorruptionsbedingung dagegen nur erfüllt, wenn alle Verdachtsmomente und Ermittlungen zu unrechtmäßigen Zahlungen im Kontext der Thyssenkrupp- oder tkms-Geschäfte mit Israel aus der Welt geschafft werden könnten. 

Der Unterschied zwischen den Fällen A und B ist entscheidend. Im Fall A könnte das FINS-Projekt mit großer Wahrscheinlichkeit wieder aufgenommen und durchgeführt werden. Sähe die Antikorrruptionsbedingung so aus wie in Fall A angenommen, so wären die in Israel anstehenden Verfahren selbst im Falle einer Verurteilung von nebensächlicher Bedeutung, solange kein direkter Zusammenhang der inkriminierten Handlungen mit der geplanten U-Boot-Bestellung gerichtsfest nachgewiesen werden kann. Träfe dagegen Fall B zu, so wäre das FINS-Projekt auch dann massiv gefährdet, wenn das Gericht einen Zusammenhang mit anderen, früheren tkms-Geschäften in Israel feststellt.

Ein Beispiel zur Illustrattion: Zur Sprache kommen könnten z.B. Zahlungen von Miki Ganor, die dem ehemaligen Chef der israelischen Marine, Eliezer Marom und Avriel Bar Yosef, dem früheren stellvertretenden Vorsitzenden des Nationalen Sicherheitsrates zugute gekommen sein sollen. Marom und Bar Yosef verhalfen Ganor 2009 dazu, Handelsvertreter von tkms zu werden und boxten diesen gegen den früheren Repräsentanten von tkms in Israel durch. Ganors Zahlungen an Marom erfolgten Jahre später, nach dessen Ausscheiden aus dem aktiven Marinedienst und vermutlich wie bei Bar Yosef auch als Dank für den lukrativen Job in Diensten von tkms. Ganor hatte für diese Zahlungen jedenfalls höchstwahrscheinlich noch keine Finanzmittel aus dem künftigen Geschäft über die FINS-U-Boote zur Verfügung. Über Provisiionsgelder verfügte er damals allenfalls aus bereits laufenden tkms-Geschäften mit Israel. Dafür kamen also nur erste Gelder aus dem Korvettengeschäft oder aus dem Geschäft über das 6.Dolphin-U-Boot sowie möglicherweise noch ganz andere Geschäfte infrage. All dies würde nicht unter die Bedingung im Fall A fallen, sondern nur unter jene im Fall B. 

Eine Regelung, die dem Fall A entspräche, ginge zudem an den für Provisionszahlungen üblichen Verfahrensweisen bei Rüstungsgeschäften vorbei und wäre wohl weitgehend wirkungslos. Üblicherweise fließen Provisionsgelder an Vermittler pro rata aus den beim Auftragnehmer eingegangenen Zahlungen des Kunden. Die erste solche Zahlung des Kunden erfolgt meist mit dem Vertragsabschluss. Ganor kann auch deshalb noch keine substantiellen Mittel aus dem FINS-Projekt eingesetzt haben, sondern nur Mittel aus älteren Projekten. Dafür spricht auch, dass es zwischen Ganor und seinem Vorgänger als tkms-Repräsentant in Israel zu einem Disput darüber gekommen sein soll, wem die Provision aus dem Vertrag über das sechste Dolphin-U-Boot zustehe. Über dieses bestand zu Zeiten des Vorgängers nur eine Option; vertraglich festvereinbart wurde es erst als Ganor bereits Repräsentant von Thyssenkrupp war. 


Intransparenz 

Bei Rüstungsexporten beruft sich die deutsche Exekutive gerne auf das 2014 gefällte Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zu ihren Informationspflichten und kombiniert dieses Urteil mit ihren Pflichten zur Wahrung industrieller Geschäftsgeheimnisse. Sie sei lediglich verpflichtet den Bundestag über die Grunddaten wie Empfängerland, Liefergegenstand, und Volumina abschließend gefallener Genehmigungsentscheidungen über solche Exporte zu unterrichten, nicht aber über die Gründe oder Argumente für oder wider solche Exporte sowie über den Stand und die Erwägungen während ihrer Entscheidungsprozesse. All dies gehöre in den Bereich des Exekutivprivilegs. Zudem seien Details aus bi- oder multilateralen Exekutivabkommen - soweit mit dem Partnerland so vereinbart – vertraulicher Natur und müssten gegenüber Parlament nicht offen gelegt werden.

Bei den Marine-Geschäften mit Israel könnte jedoch ein Sonderfall vorliegen. Da zur Finanzierung dieser Geschäfte auch deutsche Steuermittel eingesetzt werden, könnte Intransparenz gegenüber dem Bundestag einen unzulässigen Eingriff in dessen verfassungsmäßig garantierte Rechte zur Festlegung des Bundeshaushalts darstellen. Zumindest dem Haushaltsausschuss müsste die Bundesregierung  dann Auskunft erteilen und reinen Wein einschenken – selbst auf die Gefahr hin, dass offengelegt werden müsste, dass aus früheren Zuschüssen für Beschaffungsvorhaben der israelischen Marine in Israel Bestechungsgelder aus dem Bundeshaushalt mitfinanziert worden wären.


Nachtrag vom 17.Januar 2020

Am 23. Dezember 2019 beantwortete Staatssekretär Nußbaum für das Wirtschaftsministerium noch eine Kleine Anfrage der Linken. In seiner Antwort auf Frage 30 teilte er mit, dass die Bundesregierung im 1.Halbjahr 2019 den Umbau eines im Bau befindlichen U-Bootes für Israel mit Exportkreditgarantien in Höhe von 88 Mio. Euro absichert habe. Diese Garantie betrifft das 6. Dolphin-U-Boot, das sich derzeit noch im Bau befindet und wegen der Umbauwünsche Israels deutlich später ausgeliefert werden soll. Dieses .U-Boot erhält eine zusätzliche druckfest ausgelegte Rumpfsektion, die genutzt werden kann, um mehrere Aufgaben zu erfüllen. Aus ihr können zusätzliche Spezialkräfte abgesetzt oder  z.B.auch Flugkörper senkrecht gestartet werden. Eine ausführlichere Beschreibung findet sich hier. Ob die Mehrkosten für die Umrüstung oder die Ausstattung der künftigen FINS-Generation israelischer U-Boote auch zu einer Erhöhung des deutschen Finanzbeitrags zu diesen Beschaffungsvorhaben führen wird ist noch nicht bekannt.


ist freier Journalist und leitet das Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit - BITS