Unfreiwillige Transparenz oder peinliche Panne?
von Otfried Nassauer
"Die Auflistung sämtlicher Unternehmen (...), die im vergangen
Jahr eine Genehmigung für die Ausfuhr von Kriegswaffen erhalten
haben, stellt eine sensible Information dar. (...) Dieses detaillierte
Informationsbild zum Kreis der im Rüstungsbereich tätigen
Unternehmen ist unter Sicherheitsaspekten schutzwürdig. Die
entsprechenden Informationen sind daher als VS-Nur für den
Dienstgebrauch" eingestuft." Diese Auskunft erteilte Ulrich
Nußbaum, Staatssekretär im Bundesministerium für
Wirtschaft und Energie, im Mai Abgeordneten der Linken und der
Grünen, die entsprechende Informationen angefordert hatten. Wenige
Tage später wurde das Ministerium selbst zur
Sicherheitslücke. Es publizierte die Antwort auf die Kleine
Anfrage der Linken zusammen mit allen zugehörigen Verschlusssachen
auf seiner Internetseite. Rund 14 Tage dauerte es, bis das Haus
Altmeier den Irrtum entdeckte und die als Verschlusssache
gekennzeichneten 48 Seiten wieder entfernte.
Bis zu diesem Zeitpunkt waren die sensiblen und schutzwürdigen
Informationen, die nach Auskunft dcr Bundesregierung auch das
Staatswohl gefährden konnten, offen auf der Homepage des
Ministeriums für jedermann einsehbar.
Liest und analysiert man diese Antworten,. so stößt
man zunächst auf eine Vielzahl breit bekannter
Rüstungsunternehmen: Von A wie Airbus oder AIM-Infrarotmodule
über D wie Diehl oder Dynamit Nobel Defence, R wie Rheinmetall,
Renk und RUAG oder schließlich bis Z wie zum Beispiel die
Zahnradfabrik in Friedrichshafen. All diese Firmen sind interessierten
Bürgern schon lange ein Begriff, nicht zuletzt, weil sie selbst in
Branchen- oder Lobbyverzeichnissen auftauchen, bei Messen im Ausland
auftreten oder in entsprechenden Fachzeitschriften inserieren. Der
Erkenntnisgewinn durch die Antwort der Bundesregierung ist für
interessierte Leser gering. Sie kennen ihre "Pappenheimer" meist schon
lange und könnten der Liste des Ministeriums problemlos weitere
Firmen hinzufügen, die im abgefragten Jahr 2018 keine
Exportgenehmigungen erhalten haben. Sensibel und schutzbedürftig
ist die reine Nennung dieser Firmen nicht.
Eine zweite größere Gruppe stellen
Waffenhandelsgeschäfte dar, die ihre Kunden im Ausland meist mit
Jagd- und Sportwaffen und der zugehörigen Ausstattung wie
Munition, Optiken oder Zubehör wie Waffenschränken beliefern
- Firmen wie z.B. Frankonia, ein bundesweit aktives Unternehmen. Warum
die öffentliche Nennung dieser Firmen eine sensible
schutzwürdige Information darstellen sollte, ist nicht ohne
weiteres ersichtlich.
Eine dritte Firmengruppe sind Zulieferer, die
rüstungsrelevante Komponenten exportieren. Betriebe, die spezielle
Pumpen, besondere Getriebe, militärisch abgeschirmte Kabel oder
besondere Werkstoffe und Maschinen liefern können, deren Export
genehmigungspflichtig ist. Dies ist der informativste Teil der Antwort.
In dieser Gruppe von Genehmigungsempfängern könnte in der Tat
die eine oder andere Firma genannt worden sein, die öffentlich
selten oder gar nicht mit Rüstungsexporten in Verbindung gebracht
wird.
Schließlich gehören auch Behörden oder
staatseigene Betriebe zu den Empfängern von Genehmigungen für
Drittländer. Beispielhaft genannt seien die in Hessen
ansässige VEBEG, die nicht mehr benötigtes
Bundeswehrgerät verkauft, das für Koblenzer Bundesamt
für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der
Bundeswehr, sowie die in Eschborn ansässige Gesellschaft für
Internationale Zusammenarbeit (GIZ) und das Referat 115 "Innerer
Dienst" des Auswärtigen Amtes. das u.a. die Ausstattung deutscher
Botschaften im Ausland sicherstellt und dafür natürlich auch
gelegentlich Ausfuhrgenehmigungen benötigt.
Die aufschlussreichsten und informativsten Antworten
unterliegen dagegen nicht der Geheimhaltung. Firmen in zwei der 16
Bundesländer haben 2018 das Gros aller Einzelausfuhrgenehmigungen
für Rüstungsexporte eingeheimst. Bayern und
Baden-Württemberg kommen zusammen auf Genehmigungen im Umfang von
knapp 3,2 Mrd. Euro. Insgesamt wurden 2018 Genehmigungen in Höhe
von gut 4,8 Mrd. Euro. Etwa zwei Drittel aller Genehmigungen entfielen
also auf diese beiden Bundesländer. Da können selbst die
norddeutschen Länder mit ihrer sprichwörtlichen
Küstenmafia nicht mithalten. Deren Exporte bestehen oft aus teuren
Kriegsschiffen und U-Booten und werden deshalb oft und gerne als
Erklärung für zeitweise hohe Genehmigungswerte genannt.
Aus einer parallelen Anfrage der Grünen
geht zudem hervor, dass Algerien 2018 die höchsten
Genehmigungswerte erzielte: Knapp 820 Mio. Euro. Auch andere
problematische Drittstaaten rangierten 2018 weit vorne: Saudi-Arabien
mit 416 Mio. Euro, Pakistan mit 174 Mio. Euro oder Katar und Indien mit
je 96 Mio. Euro.
Fassen wir also zusammen: Offen bleibt nach der Lektüre
der vollständigen Antwort der Bundesregierung vor allem eines:
Zielte die geplante, aber misslungene Geheimhaltung darauf, der
Öffentlichkeit in Deutschland möglichst viele Informationen
vorzuenthalten? Dieser Eindruck muss entstehen, wenn man analysiert wie
intensiv das Berliner Wirtschaftsministerium mittlerweile das Urteil
des Bundesverfassungsgerichtes aus dem Jahr 2014 nutzt, um Detailwissen
über konkrete Rüstungsexporte zu einem Privileg der Exekutive
zu erklären. Überwiegend geht es wohl darum, diese
Informationen der überwiegend kritischen deutschen
Öffentlichkeit vorzuenthalten und zu verstecken, dass man der
Außenwirtschaftsförderung weiterhin Vorrang vor der
Rüstungsexportkontrolle einräumt.
ist
freier Journalist und leitet das Berliner Informationszentrum
für Transatlantische Sicherheit - BITS
|