Nach dem Stop - Bald doch wieder Rüstungsexportgenehmigungen aus Südafrika für Saudi-Arabien und die VAE?
von Otfried Nassauer
Vertreter der Rüstungsindustrie in Südafrika haben
sich
öffentlich beschwert, dass die südafrikanische
Regierung
ihnen seit Monaten keine Genehmigungen mehr für die Ausfuhr
von
Rüstungsgütern in die Jemenkriegsländer
Saudi-Arabien
und Vereinigte Arabische Emirate ausstellt. Beide Länder
gehören für die südafrikanische
Rüstungsindustrie
zu den wichtigsten Kunden und haben große Aufträge
bei den
Betrieben am Kap plaziert. Südafrika liefert unter anderem
gepanzerte Fahrzeuge sowie viele Produkte der südafrikanischen
Munitionsindustrie.
Die südafrikanische
Rüstungsindustrie beklagt
nun, dass neue Genehmigungen ausbleiben, weil Südafrika die
Erteilung von Genehmigungen wieder verstärkt davon
abhängig
macht, ob die Empfängerländer so genannten
Post-Shipment-Kontrollen zustimmen, mit denen das Lieferland im
Empfängerland prüfen kann, ob die gelieferten Waffen
auch in
der Verfügungsgewalt des Verwenders verblieben sind, der in
der
Endverbleibserklärung genannt wurde. Die Möglichkeit
zu
solchen Kontrollen ist in Südafrika seit vielen Jahren
gesetzlich
vorgesehen. Auf der Zustimmung der Empfängerländer
wurde aber
nur selten bestanden. Die Industrie berichtet nun, dies sei jetzt der
Fall und etliche arabische Empfängerländer seien
nicht
bereit, solche Kontrollen zu erlauben, weil dies einen Eingriff in
ihrer Souveränitätsrechte darstelle. Bereits
fertiggestellte
Rüstungsgüter könnten deshalb nicht
ausgeliefert werden
und es drohe, dass der südafrikanischen Industrie
künftig
Aufträge im Wert von 3-4 Mrd. Dollar entgehen könnten.
Dieses Argument hat jedoch eine Schwäche: Neben
Südafrika verlangen auch Staaten wie die Schweiz und vor allem
die
USA als wichtigster Lieferant Saudi-Arabiens ein Recht zu solchen
nachträglichen Verifikationsmaßnahmen für
den Verbleib
ihrer Rüstungslieferungen. Wer den USA ein solches Recht nicht
einräumen will, wird schlicht nicht beliefert.
Auch die Bundesrepublik hat sich 2017 ein solches
Kontrollinstrument geschaffen und wertet derzeit die Erfahrungen der
zweijährigen Erprobungsphase aus, um zu entscheiden, ob das
Instrument beibehalten, erweitert eingesetzt oder wieder aufgegeben
werden soll. Aus einer der Regierungsparteien, der SPD, ist bekannt,
dass sie sich für einen erweiterten Einsatz von
Post-Shipment-Kontrollen ausspricht.
Der südafrikanische Genehmigungsstopp belastet
auch die
Geschäfte des deutschen Rheinmetall-Konzerns. Dessen
südafrikanische Gemeinschaftsfirma Rheinmetall Denel Munition
exportiert im großem Stil Munition in die Emirate und
inzwischen
auch nach Saudi-Arabien. RDM gehört schon seit Wochen zu
jenen Firmen
in Südafrika, die sich über die derzeitige
Genehmigungspolitik Südafrikas beschweren und mit einer
Entlassung
Hunderter Mitarbeiten drohen. Rheinmetall, dessen Lieferungen an
Saudi-Arabien und die VAE wegen des Jemenkriegs heftig kritisiert
werden, droht nunmehr eine Belastung des wirtschaftlichen
Jahresergebnisses 2019. Neben Südafrika hat nämlich
auch Italien die Genehmigung von
Rüstungsexporten nach Saudi-Arabien
im Sommer gestoppt. Die Exporte aus beiden Ländern an die am
Jemenkrieg beteiligten Staaten waren für Rheinmetall im
letzten
Jahr mit hohen Gewinnmargen verbunden.
Nachtrag,
9. Februar 2020
Einem Bericht der Nachrichtenagentur Reuters zufolge
bemüht sich Südafrika inzwischen um einen
diplomatischen
Ausweg aus dem Konflikt. Da Rüstungsexporte im Gesamtwert von
etwa
15 Mrd. Rand (rd. € 910 Mio.) von den der verweigerten
Zustimmung
der wichtigen Empfängerländer in der MENA-Region
betroffen
sein sollen habe das NCACC (National Conventional Arms Control Comittee
) beschlossen, die strittige Passage in der südafrikanischen
Endverbleibserklärung abzuschwächen und
künftige nicht
mehr eine Zustimmung zu Vorortkontrollen durch einen Inspekteur, der
durch den Verteidigungsminister [Südafrikas] bestimmt wird, zu
verlangen, sondern durch Vortortkontrollen, durchgeführt durch
einen diplomatischen Prozess. Ob dies den Konflikt mit den Kunden in
der MENA-Region löst, die in solchen Post-Shipment-Kontrollen
einen Eingriff in ihre Souveränitätsrechte sehen,
kann
bezweifelt werden. Diese werden eher auf einen völligen
Verzicht
auf Vorortkontrollen auf ihrem Territorium drängen. Da
große
Teile der Rüstungsindustrie Südafrikas in einer
schweren
Krise stecken, kommt den substantiellen Aufträgen aus der MENA
auch eine erhebliche wirtschaftliche Bedeutung zu. Zu jenen
Kundenländern, die die Zustimmung zu Vorortkontrollen
verweigern,
gehören Algerien, Saudi-Arabien, Oman und die VAE.
2.
Nachtrag,
13. Mai 2020
Am 11. Mai 2020 hat die Regierung Südafrikas
die eine Neufassung der von Südafrika geforderten
Endverbleibserklärung der Empfängerländer im
Gesetzes- und Verordnungsblatt des Landes veröffentlicht.
Post-Shipment-Kontrollen sollen also jetzt – wie im Februar
schon angekündigt - in der Form eines
„diplomatischen Prozesses“
durchgeführt werden, wie auch immer dieser konkret umgesetzt
werden soll. Die Industrie glaubt, dass sie jetzt wieder Genehmigungen
zur Lieferung erhalten wird, weil die Empfängerländer
aus dem arabischen Raum bereit sein werden, so formulierte
Endverbleibserklärungen zu unterzeichnen. Bei RDM und anderen
Rüstungsbetrieben geht man also davon aus, in Kürze
auch wieder an Länder liefern zu dürfen, die am
Jemenkrieg beteiligt sind. Ob sich diese Hoffnung erfüllt,
bleibt abzuwarten. Südafrika erklärt ja auch mit der
neuen Regelung keinen völligen Verzicht auf die im
südafrikanischen Recht vorgesehene Möglichkeit
Post-Shipment-Kontrollen durchzuführen. Es wird also darauf
ankommen, wie dieser „diplomatische Prozess“
letztlich in die Praxis umgesetzt wird und ob die arabischen
Länder mit dieser Regelung leben können und wollen.
Dies bleibt insbesondere im Blick auf klassische
Verbrauchsgüter eines Krieges wie Munition abzuwarten.
ist
freier Journalist und leitet das Berliner Informationszentrum
für Transatlantische Sicherheit - BITS
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