Originalbeitrag
30. August 2020


Eine Altlast mit aktuellen Folgen – Die Türkei belieferte Kenia mit G3-Gewehren

von Otfried Nassauer


Kenia hat im Jahr 2016 10.700 G3A3 Gewehre aus der Türkei erhalten. Das geht aus der türkischen Jahresmeldung für 2016 an das Waffenregister der Vereinten Nationen (UNROCA) hervor. Ob damit alle Lieferungen an das ostafrikanische Land gemeldet wurden oder nur ein Teil ist nicht bekannt, da Ankara für die Jahre 2014 und 2015 keinen Bericht über seine Rüstungsexporte bei der UNO abgab.

Die Sturmgewehre für Kenia stammen aus der Produktion des staatlichen türkischen Konzerns MKEK in Kirikkale östlich von Ankara. Dort kann das Gewehr aufgrund einer alten deutschen Lizenz aus dem Jahre 1967 seit vielen Jahrzehnten produziert werden, ohne das Zulieferungen aus Deutschland benötigt würden. Die Lizenz erteilte damals die Bundesregierung. Sie hielt die Rechte an dieser Kriegswaffe, weil deren Entwicklung aus dem Verteidigungshaushalt finanziert worden war. Wahrscheinlich handelte es sich bei den Waffen für Nairobi nicht um neu produzierte Gewehre, sondern um eine Lieferung aus Überschussbeständen der türkischen Sicherheitskräfte. Die türkische Armee nutzte das G3 jahrzehntelang als Standardwaffe und besaß Hunderttausende. Nachdem MKEK bei Heckler & Koch 1998/99 die Herstellungslizenz für das Sturmgewehr HK33 erworben hatte, wurden die ersten G3 durch diese sehr ähnliche Waffe des kleineren NATO-Standard-Kalibers 5,56mm abgelöst. Seit 2014 können weitere G3 durch eine neue, in der Türkei selbst entwickelten Waffe, das Sturmgewehr MPT 76, ersetzt werden.

Obwohl Kenia zu den großen Nutzerstaaten des G3 gehört, wurde es nie direkt aus Oberndorf beliefert. Als Nairobi das G3 einführte, erhielt es G3-Gewehre aus der britischen Lizenzproduktion des G3s in Enfield. Später sollen die Bestände aus der Lizenzproduktion in Pakistan und dem Iran ergänzt worden sein. Detailangaben dazu fehlen aber. Mit der Türkei hat Kenia nun eine neue Nachschubquelle aufgetan.

Der Export stellt wahrscheinlich keinen türkischen Verstoß gegen die Lizenzvereinbarung mit Deutschland dar. 1967 wurden standardmäßig in solche Lizenzvereinbarungen noch keine Vorschriften aufgenommen, die Ankara veranlasst haben könnten, in Berlin nachzufragen, ob man dort mit einem Reexport in ein Drittland wie Kenia einverstanden sei. Der Iran, der im gleichen Zeitraum auch eine G3-Lizenz erwarb, musste dagegen schon damals eine Erklärung zum Endverbleib abgeben. Exporte aus der iranischen Lizenzproduktion betrachtet die Bundesregierung als unrechtmäßig.


ist freier Journalist und leitet das Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit - BITS